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Seite:Meyers b2 s0608.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

Weltschmerz erfüllt; bedeutender erscheint er in den vortrefflichen Lebensbildern in Prosa, die er als „Camera obscura“ unter dem Pseudonym Hildebrand (1837, 13. Aufl. 1880; deutsch in „Niederländische Novellen“, Braunschw. 1866) veröffentlichte. Es sind teils Novellen, wie: „Die Familie Stastok“, „Die Familie Kegge“, „Gerrit Witse“, teils Schilderungen holländischer Landschaften und ihrer Bewohner, fein beobachtet und mit Laune geschrieben. Seine spätern Werke gehören teils der Litteraturgeschichte und Kritik an, z. B. „Verpoozingen op letterkundig gebied“ (2. Aufl., Haarl. 1874), „Verscheidenheden meest op letterkundig gebied“ (2. Aufl., das. 1876) u. a., teils sind sie theologischen Inhalts, wie: „Paulus in de gewichtigste oogenblikken van zijn leven“ (3. Aufl., Amsterd. 1858; deutsch, Gotha 1857) und „Stichtelijke uren“ (Haarl. 1848–60, 7 Bde.; neue Aufl., Amsterd. 1872 ff., 8 Bde.; deutsch in Auswahl: „Erbauungsstunden“, Bonn 1858). Aber auch einige Gedichtsammlungen erschienen noch: „Korenbloemen“ (Haarl. 1853) und „Nieuwe gedichten“ (das. 1857), ferner „Verstrooide gedichten“ (1862, 2 Bde.), „De kinderen der zee“ (1861) u. a., die dem Sturm und Drang der Jugenddichtungen gegenüber milden Frieden atmen. Nach allgemeinem Urteil steht B. als Dichter unter seinen Zeitgenossen obenan, und seine Prosa gilt als Muster einer kernigen und dabei klaren Schreibart. Seine poetischen Werke erschienen gesammelt in 4 Bänden Amsterdam 1873–81.

Beetz, Wilhelm von, Physiker, geb. 27. März 1822 zu Berlin, habilitierte sich daselbst nach Vollendung seiner Studien und trat bald als Lehrer der Physik in die königliche Artillerieschule und das Kadettenkorps. 1855 ging er als Professor der Physik nach Bern, 1858 nach Erlangen und 1868 in derselben Eigenschaft an die neue polytechnische Schule zu München. 1874–77 war er Direktor des Polytechnikums, und 1876 erhielt er den persönlichen Adel. Seine hervorragendsten Arbeiten sind dem Galvanismus gewidmet, so besonders seine Untersuchungen über die galvanische Polarisation, über die elektromotorischen Kräfte der Gasketten, über die Leitungswiderstände der Flüssigkeiten etc. Er schrieb: „Leitfaden der Physik“ (7. Aufl., Leipz. 1883); „Grundzüge der Elektrizitätslehre“ (Stuttg. 1878).

Beetzendorf, Flecken im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg, Kreis Salzwedel, an der Jeetze, mit Amtsgericht, evang. Kirche und 847 Einw.

Befahren Volk, Schiffsmannschaft, welche schon mehrere größere Seereisen gemacht hat, im Gegensatz zum minder geübten, halb befahrenen und zum unbefahrenen Volk.

Befāna, ital. Beiname der Herodias (s. d.), die als weibliches Gegenstück des Ewigen Juden und des Wilden Jägers auch in der deutschen Volkssage des Mittelalters eine große Rolle spielt und jetzt noch, wie der Knecht Ruprecht bei uns, als Schreckbild und Popanz für die Einschüchterung unfolgsamer Kinder in Italien verwendet wird. Man nennt sie in Venedig auch Dona Bruta, in Brescia Beròla und in Friaul Redodese oder Aredodese. Nach der Volkssage hätte sie, ans Fenster gerufen, um den Zug der heiligen drei Könige zu sehen, geantwortet, sie müsse das Zimmer fegen und wolle sie bei ihrer Rückkehr sehen. Darum folgt man am Befanafest (5. Jan.), dem Abend vor Epiphania oder Befania (woher der Name), dem Wagen, auf welchem in Florenz das Bild der B. herumgefahren wird, mit brennenden Besen oder stellt sie in Gestalt einer Vogelscheuche ans Fenster, und in Rom tragen die Kinder, welche als B. verkleidet sind, über der Schulter einen Strumpf mit Näschereien, in einer Hand eine Laterne, in der andern ein langes Rohr (canna). Die äußere Gestalt der B. gleicht vielfach der von Frau Berchta (s. d.), mit der sie auch ihren Festtag gemein hat. Wer B. günstig stimmen will, muß an ihrem Fest Bohnen essen oder ein besonderes Gebet sprechen, das Ave Maria della B. heißt. Artigen Kindern bringt sie in der Nacht Spielsachen und Näschereien, unartigen Säcke mit Asche oder Briefe mit Verweisungen und Drohungen.

Befestigung (Fortifikation), die Anlage von Verteidigungseinrichtungen und Bauten für den Truppengebrauch im Krieg. Man unterscheidet dabei die schnelle Herstellung flüchtiger Anlagen, die passagere oder Feldbefestigung (s. d.); den Bau von Befestigungen für lange Dauer und mit allen Mitteln der Kunst, permanente oder stehende B. (s. Festung); die Herstellung von Anlagen, die für längere Dauer bestimmt sind, aber in kurzer Zeit und deshalb mit ähnlichen Mitteln wie Feldbefestigungen hergestellt werden müssen (provisorische Befestigungen); den Bau von Wegen und Brücken (s. Feldbrücken) sowie die Zerstörung von Eisenbahnen, Brücken und Wegen nebst der Wiederherstellung solcher zerstörter Verbindungslinien. Die Kunst, welche die Ausführung aller dieser Arbeiten am richtigen Ort und mit den besten Mitteln lehrt, heißt die Befestigungskunst. Die provisorischen Befestigungen stehen zwischen den permanenten (Festungen) und den Feldbefestigungen und dienen in der Regel als Ersatz permanenter Befestigungen. S. Festung.

[Prähistorische Befestigungswerke.] Feste Plätze, zu denen schwer zugängliche, verteidigungsfähige Zufluchtsorte und Wohnstätten jeder Art zu rechnen sind, kennt man aus allen Zeiten von der neolithischen Periode bis in die frühslawische Zeit hinein. Sie werden am besten eingeteilt in Wallanlagen (Verschanzungen), Gehege (Gepück, Baumschanzen) und Gräben. 1) Wallanlagen (Verschanzungen) kommen vor mit einfachen, zwei- und mehrfachen Verwallungen (Doppelwälle, Doppelschanzen) und zwar bei allen drei unten näher beschriebenen Arten. Das Material der Schanzen besteht aus Erde oder Steinen oder aus diesen beiden Materialien zugleich und zeigt zuweilen infolge starker Brandeinwirkung stellenweise Verschlackung (Brandwälle), oder der ganze Wall ist mehr oder weniger durch Verschlackung in eine zusammenhängende Masse verwandelt (Schlackenwälle, verglaste Wälle, verglaste Burgen, Glasburgen). Letztere sind bekannt aus Böhmen und Schottland. Der Form nach teilt man die Verschanzungen ein in: a) Rundwälle oder Ringwälle. Die in den Ebenen vorkommenden Rundwälle liegen meist in Sümpfen und Mooren und sind zuweilen auf Pfahlrosten errichtet. Die Ringwälle sind kreisförmig, oval oder, dem Terrain sich anschmiegend, zuweilen etwas unregelmäßig gestaltet und hegen in bergigen Gegenden oft den Gipfel eines isolierten Bergkegels ein (Steinringe, Hünenringe). Zuweilen sind noch Außenwerke, Vorburgen, ebenfalls durch Schanzen eingeschlossen, mit dem eigentlichen Verteidigungswerk in Verbindung. b) Burgwälle, Wallburgen, bestehen aus Wällen, welche bogenförmig oder nahezu geradlinig quer über einen vorspringenden Bergrücken gelegt sind und denselben von dem hinterliegenden Terrain abschneiden. Es finden sich auch hier Außenwerke und Vorburgen. Obige beide Arten stehen zuweilen, wenn sie an See- oder Flußufern liegen, mit Pfahlbauten in Verbindung.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0608.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2022)
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