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Seite:Meyers b2 s0787.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

Bernstein, schwarzer, s. v. w. Gagat.

Bernstein, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Frankfurt, Kreis Soldin, am Großen Pulssee, der vortreffliche Edelmaränen enthält, 10 km vom Bahnhof Berlinchen, mit evangelischer Pfarrkirche, besuchten Pferde- und Rindviehmärkten und (1880) 2247 Einw. Das ehemalige Cistercienser-Nonnenkloster wurde 1290 gegründet und zur Zeit der Reformation aufgehoben.

Bernstein, 1) Georg Heinrich, Orientalist, geb. 12. Jan. 1787 zu Kospeda unweit Jena, studierte seit 1806 in Jena Theologie und die semitischen Sprachen und habilitierte sich daselbst 1811 als Privatdozent. 1812 als außerordentlicher Professor der orientalischen Litteratur nach Berlin berufen, machte er von hier als Rittmeister die Feldzüge von 1813 und 1814 mit und unternahm später eine wissenschaftliche Reise nach England und Holland, auf der er in London mit Bopp auch Sanskrit studierte. Nach seiner Rückkehr (1819) wurde er 1821 zum ordentlichen Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Breslau ernannt, begab sich 1836 abermals nach Oxford, 1842 nach Italien, um seine Exzerpte und Abschriften morgenländischer Handschriften zu vervollständigen, und starb 5. April 1860 in Lauban. Außer Abhandlungen in Journalen veröffentlichte er ein arabisches Gedicht des Szafieddin von Hilla (zuerst Leipz. 1816), einen andern arabischen Schriftsteller, „De initiis et originibus religionum in oriente dispersarum“ (Berl. 1816), einen Teil des „Hitopadeça“ (Bresl. 1823), die 3. Ausgabe von Michaelis’ „Arabischer Grammatik und Chrestomathie“ (Götting. 1817), welcher Nachträge zur Chrestomathie (Bd. 1, das. 1817) folgten, namentlich aber den Anfang eines großen syrischen Wörterbuchs (1. Heft, Berl. 1852) und andre Beiträge zur syrischen Litteratur: „Über die charklensische Übersetzung des Neuen Testaments“ (2. Aufl., Bresl. 1854), über Bar-Bahlul (das. 1842) und Bar-Hebräus (Leipz. 1822 u. Berl. 1847), ein vortreffliches Lexikon zu Kirsch’ „Chrestomathia syriaca“, welche er neu bearbeitete (Leipz. 1832–36, 2 Bde.) und „Gregorii Bar-Hebraei scholia in librum Jobi“ (Bresl. 1858).

2) Aaron, Publizist und Volksschriftsteller, geb. 1812 zu Danzig, jüdischer Abkunft, wurde für den Rabbinerstand bestimmt und in Talmud und Bibel unterrichtet, bis er in Berlin sich eifrigen Studien, auch auf naturwissenschaftlichem Gebiet, hingab. Sein Erstlingswerk war eine Übersetzung und Bearbeitung des Hohenliedes (Berl. 1834), die er unter dem Namen A. Rebenstein herausgab. Ihr folgten: „Plan zu einer neuen Grundlage für die Philosophie der Geschichte“ (Berl. 1838); „Novellen und Lebensbilder“ (das. 1840); eine Abhandlung über die „Rotation der Planeten“ und das gegen Bülow-Cummerow gerichtete politisch-statistische anonyme Schriftchen „Zahlen frappieren“ (das. 1843). An den religiösen Reformbewegungen seit 1845 nahm B. im Interesse einer Reform des Judentums regen Anteil. Im März 1849 gründete er zu Berlin die demokratische „Urwählerzeitung“, die alsbald ungemeine Verbreitung fand, aber dem Herausgeber verschiedene Preßprozesse und Gefängnisstrafen zuzog und schließlich unterdrückt wurde. Seit 1853 erschien das Blatt als „Volkszeitung“ im Verlag von Franz Duncker weiter und gehörte lange zu den verbreitetsten politischen Zeitungen Deutschlands. B. schrieb in demselben jahrzehntelang die täglichen Leitartikel und veröffentlichte außerdem eine Reihe populär-naturwissenschaftlicher Abhandlungen, die ihn als einen Meister in gemeinverständlicher Erörterung wissenschaftlicher Fragen beurkunden und großen Beifall fanden. Sie erschienen gesammelt als „Naturwissenschaftliche Volksbücher“ (4. Aufl., Berl. 1880, 5 Bde.; neue Folge 1880 ff.). Auch seine politischen Aufsätze aus der neuesten preußischen Geschichte gab er besonders heraus unter dem Titel: „Revolutions- und Reaktionsgeschichte Preußens und Deutschlands von den Märztagen bis zur neuesten Zeit“ (Berl. 1883–84, 3 Bde.). Interessant sind seine realistischen, dem jüdischen Kleinleben entnommenen Novellen: „Vögele der Maggid“ (Berl. 1860; neue Bearbeitung, Leipz. 1864) und „Mendel Gibbor“ (Berl. 1860, neue Ausg. 1872). Außerdem veröffentlichte er: „Ursprung der Sagen von Abraham, Isaak und Jakob“ (Berl. 1871); „Betrachtungen über Natur- und Kulturleben“ (das. 1874, 2. Aufl. 1884) und „Natur- und Kunstbetrachtungen“ (Leipz. 1879). B. starb 12. Febr. 1884 in Berlin. – Sein ältester Sohn, Julius, geb. 8. Dez. 1839 zu Berlin, ward 1871 außerordentlicher Professor der Medizin daselbst, 1873 ordentlicher Professor der Physiologie an der Universität Halle; schrieb: „Untersuchungen über den Erregungsvorgang im Nerven- und Muskelsystem“ (Heidelb. 1871) und „Die fünf Sinne des Menschen“ (Leipz. 1875).

Bernsteinfirnis, s. Firnis.

Bernsteinkolophonium, s. Bernsteinsäure.

Bernsteinküste, s. Samland.

Bernsteinöl entsteht neben Bernsteinsäure bei der trocknen Destillation des Bernsteins, ist dunkelbraun, nach der Rektifikation aber farblos, von höchst unangenehmem Geruch und brenzligem, scharfem Geschmack. Es ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol, Äther und Ölen und besteht aus mehreren Kohlenwasserstoffen, sauerstoffhaltigen Körpern und flüssigen Fettsäuren. Es wird innerlich und äußerlich als Arzneimittel angewandt und war früher Bestandteil des Eau de Luce. Das reinste B. hieß Ambraöl. Mit konzentrierter Salpetersäure bildet es eine zähe, braune, durchscheinende, brennend bitter schmeckende Masse, welche, in Alkohol gelöst, einen deutlichen Moschusgeruch besitzt (künstlicher Moschus) und früher als Arzneimittel und zu Parfümerien verwendet wurde.

Bernsteinsäure (Succinsäure) C4H6O4 findet sich in geringer Menge im Bernstein, im Harz und Terpentin einiger Nadelhölzer, in manchen Braunkohlen, im Lattich, Wermut, Mohn, auch in tierischen Säften; sie entsteht bei der trocknen Destillation und der Oxydation des Bernsteins, bei der Behandlung der Fette mit Salpetersäure, bei der Gärung des Asparagins, des äpfelsauren Kalks und in geringer Menge, aber regelmäßig, bei der alkoholischen Gärung, so daß sie sich stets im Wein und Bier findet. Zur Darstellung erhitzt man Bernsteinabfälle in einer Retorte auf 280°, solange noch weiße Dämpfe übergehen. Diese verdichten sich in der Vorlage zu kristallisierter B., einer dunkelbraunen, sauren Lösung, und zu Bernsteinöl. Als Rückstand bleibt in der Retorte Bernsteinkolophonium, welches zur Darstellung von Bernsteinfirnis dient. Der Inhalt der Vorlage wird mit heißem Wasser versetzt, filtriert und verdampft. Die rohe B. reinigt man durch wiederholtes Umkristallisieren und Behandeln mit Tierkohle. Die Ausbeute beträgt 4 Proz. und wird bedeutend vermehrt, wenn man den Bernstein mit 5–6 Proz. konzentrierter Schwefelsäure befeuchtet; doch ist dann das Kolophonium unbrauchbar. Vorteilhafter läßt man rohen äpfelsauren Kalk mit Wasser und faulem Käse bei 30–40° gären, zersetzt den gebildeten bernsteinsauren Kalk mit Schwefelsäure und verdampft das Filtrat. B. bildet farb- und geruchlose Kristalle, schmeckt sauer, etwas erwärmend,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 787. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0787.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2022)
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