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Seite:Meyers b3 s0944.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

öffentlichen Erziehung aus. – In der Ästhetik bezeichnet C. die Übereinstimmung des Kunstwerks entweder mit seinem (wirklichen oder erfundenen) Vorbild, oder mit den Gesetzen und Grenzen seiner Kunst und Kunstgattung, oder mit den Bedingungen seines Materials. Damit dieselbe vorhanden sei, müssen die wesentlichen Merkmale des darzustellenden Gegenstandes, oder der besondern Kunst oder Kunstgattung, oder des technischen Materials der Darstellung aufgeprägt sein. So hat ein Drama C., wenn es, wie Schillers „Wallenstein“, die Eigentümlichkeit der Zeit, welcher sein Stoff angehört, aber auch, wenn es, wie dieser, in Bau, Stil und Haltung das Wesen seiner Kunstgattung, der dramatischen, scharf hervortreten läßt. Im dritten Sinn kommt einem Bau-, Bild- oder Schnitzwerk C. zu, wenn in demselben die spezifische Natur des verwendeten Materials (Back- oder Haustein, Erz oder Marmor, Holz oder Elfenbein) zum Ausdruck kommt. Verwischung des Eigentümlichen in jeder der obigen Bedeutungen ist (ästhetische) Charakterlosigkeit. – C. ist auch s. v. w. Titel, Würde, Stand.

Charaktēre (griech.), im allgemeinen Zeichen, die für Gegenstände einer Wissenschaft, z. B. von Apothekern, Mathematikern etc., gebraucht werden; im Handel Ziffern, Buchstaben oder sonstige Zeichen, dergleichen man sich besonders bei Waren auf Preiszetteln bedient, um sich und damit Vertrauten den genauesten Preis zu bezeichnen. Meist wählt man Worte, welche zehn voneinander verschiedene Buchstaben enthalten, z. B. Rheinstrom, um so ein Zeichen für die Zahlen 1–10 zu gewinnen. Allgemeine C. nannte man Schriftzeichen, vermittelst welcher man sich allen kultivierten Völkern verständlich machen wollte. Seit Leibniz, welcher zuerst dergleichen versuchte, haben viele über solche Schriftzeichen nachgesonnen, indem sie fortwährend die Thatsache im Auge behielten, daß man auf dem größten Teil der Erde das versteht, was die von den Arabern uns zugeführten Zeichen 1, 2, 3 etc. ausdrücken. Vgl. Pasigraphie.

Charakterisieren, die Merkmale eines Objekts angeben, es schildern, kennzeichnen; charakterisiert, gekennzeichnet, auch s. v. w. mit einem Ehrentitel, einer Würde bekleidet.

Charakteristik (griech.), kennzeichnende Schilderung eines Gegenstandes; Verleihung eines Charakters. Im ästhetischen Sinn besteht dieselbe in der Kunst, die Eigentümlichkeit des Darzustellenden auch seiner Darstellung aufzuprägen. Ob jenes schön oder häßlich sei, kommt dabei nicht in Betracht, wenn sich nur seine unterscheidenden (d. h. wesentlichen) Züge vollständig in der Darstellung wiederfinden. Die charakteristische See- oder Alpenlandschaft, das charakteristische Porträt, der charakteristisch gezeichnete Eifersüchtige Shakespeares oder Geizige Molières tragen die unerläßlichen Kennzeichen der Meeres- und Gebirgsnatur, des dargestellten Originals, der wirklichen Leidenschaften der Eifersucht und des Geizes an sich, deren getreue Wiedergabe die genaueste Kenntnis des darzustellenden Objekts von seiten des Darstellers bedingt. Mangelhafte C., welche unentbehrliche Merkmale außer acht läßt, erzeugt Undeutlichkeit und Verschwommenheit des Bildes, welche immer vom Übel sind. Dagegen bringt bloße C. zwar Deutlichkeit, die sich aber auf die wesentlichen Merkmale (auch wenn sie häßlich sind) beschränkt und unwesentliche (auch wenn sie schön wären) fallen läßt, verglichen mit der auf (charakteristische) Darstellung des Schönen gerichteten schönen Kunst, nicht selten einerseits Häßlichkeit, anderseits Dürftigkeit der Darstellung hervor. Dieselbe ist daher mehr in dem Licht einer Sprache, welche auf richtige, als in dem einer Kunst, welche auf schöne Darstellung ausgeht, anzusehen. – C. oder Kennziffer eines Logarithmus (s. d.) ist die Anzahl der ganzen Einheiten desselben im Gegensatz zu dem dazu gehörigen Dezimalbruch, der Mantisse.

Charakteristisch (griech.), im allgemeinen alles, was einem Gegenstand sein bestimmtes, individuelles Gepräge gibt, vermöge dessen derselbe nicht mit andern verwechselt werden kann.

Charaktermasken, solche Kostüme, welche die Kleidung gewisser Stände oder Persönlichkeiten darstellen, im Gegensatz zu den Phantasiemasken.

Charakterrollen, in der Schauspielkunst diejenigen Rollen, bei welchen es hauptsächlich auf die streng durchgeführte Darstellung individueller Eigentümlichkeit abgesehen ist, im Gegensatz zu andern Rollen, welche nur die allgemeine Eigenheit ihrer Gattung zur Anschauung bringen oder nur rhetorischen Zwecken dienen. Der Dichter hat solchen Rollen zumeist eine besondere Ausdehnung gegeben und durch genaue Ausarbeitung derselben dem Schauspieler sein Schaffen erleichtert. Vgl. Charakterstücke.

Charakterstücke, dramatische Dichtungen, in welchen der Charakter sich aus der Handlung entwickelt, während im eigentlichen Drama (s. d.) die Handlung sich aus den Charakteren entwickelt. Darstellung eines Charakters nach allen Zügen und Seiten seiner Eigentümlichkeit wird in ihnen zur Hauptsache; Darstellung einer Handlung (d. h. einer That und ihrer Folgen für den Thäter) nach allen ihren Motiven und Beweggründen ist es im Drama. Daher wird in jenem die (gegebene oder erfundene) Fabel dem zu schildernden Charakter angepaßt, während im Drama die handelnden Charaktere der aus ihnen entspringenden Handlung entsprechen. Der Gang des Dramas ist rasch, weil es mit jeder Szene dem Ausgang der Handlung entgegeneilt, der des Charakterstücks zögernd, weil es in jeder Szene bei einem sich offenbarenden neuen Zug des zu schildernden Charakters weilt. Der Rückblick am Schluß des Dramas zeigt das zum Abschluß gelangte Werden einer Handlung, der Rückblick am Schluß des Charakterstücks die Summe aller im Verlauf der Handlung musivisch zusammengesetzten Züge eines Charaktergemäldes. Dieser ins Breite ausmalende Zug gehört mehr der epischen Beschaulichkeit als der dramatischen Lebendigkeit an und kann, ins Übermaß ausartend, zur Kleinmalerei und zum Stillstand der Handlung verführen. Im heitern Genre, in dessen lose verknüpfter Handlung auch der Zufall Anwendung findet, ist das Charakterstück häufiger als im ernsten, in dem Trauerspiel der Neuern, deren dramatische Charaktere individueller als jene der griechischen Tragiker angelegt sind, häufiger als in dem der Alten. Die so geschilderten Charaktere können angeboren (Naturell, Temperament, wie in Kotzebues „Zerstreuten“ u. a.) oder erworben (Leidenschaften, habituell gewordene Einbildungen, z. B. in Molières „Geizigem“ und „Eingebildetem Kranken“), allgemein menschliche (Tugenden, Laster, Affekte und Leidenschaften, wie in „Romeo und Julie“), einem bestimmten Volk, Stand, Zeitalter eigentümliche (z. B. in Kotzebues „Indianern in England“, Freytags „Journalisten“, Laubes „Rokoko“) oder individuelle (z. B. Falstaff, Shakespeares „Richard III.“ und „Timon von Athen“, Goethes „Tasso“, „Egmont“, Hebbels „Demetrius“ u. a.), komische (Plautus’ „Miles gloriosus“) oder tragische („Hamlet“, „Othello“ u. a.) sein. Gehören die Züge desselben beinahe ausschließlich einer lokal und temporär eingeschränkte Kulturstufe an, so veralten sie

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 944. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0944.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2023)
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