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Seite:Meyers b4 s0746.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4

und durch Studium nicht erlernt werden könne.“ Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) ward schon epochemachend durch die Anfänge seines bereits als Schüler geplanten, als Student begonnenen, erst nach Jahrzehnten (1773) vollendeten Gedichts „Der Messias“, dessen erste Gesänge die „Bremer Beiträge“ nicht ohne manche Bedenken ihrer Herausgeber 1748 veröffentlichten. Mit dem sichern Instinkt des Genies hatte Klopstock gefühlt, daß der religiöse Stoff zur Zeit der einzige sei, welcher auf Phantasie und Empfindung großer Kreise, namentlich des deutschen Bürgertums, zu wirken vermochte; ihn selbst erfüllten die erhabensten Vorstellungen von jener „heiligen Dichtkunst“, für die er nur ein erhabenes Vorbild, Milton, kannte. Da er aber eine überwiegend lyrische Natur voll hohen Schwunges, voll sittlichen Ernstes, voll Innigkeit und voll ursprünglicher Sprachgewalt war, zudem bewußtermaßen auf die Rührung seiner Leser hinarbeitete, so überwog in seinem epischen Gedicht eine Fülle rührseliger Stimmungen und wehmütiger Betrachtungen die feste Gestaltung, die Anschaulichkeit der Handlung und Charakteristik. Indes hatte seit Luther kein Dichter über den Reichtum und die Macht der Sprache geboten wie jetzt Klopstock, so daß der Enthusiasmus für seine in der That unvergleichliche Leistung voll berechtigt war. Neben dem großen epischen Gedicht verdankte Klopstock seinen Hauptruhm seinen „Oden“, deren ernster, feierlicher Ton, deren edle Rhythmik und sprachliche Schönheit die Generation, der alles dies neu war, wohl berauschen und sie über die eigentümliche Enge und Einseitigkeit der Klopstockschen Empfindung und Kunstanschauung hinwegsehen lassen konnten. Stärker trat diese Einseitigkeit hervor, als Klopstock nach Vollendung des „Messias“ sich in biblischen und patriotischen Dramen versuchte. „Adams Tod“, „Salomo“, „David“, namentlich aber die sogen. Bardiete: „Hermannsschlacht“, „Hermann und die Fürsten“ und „Hermanns Tod“ entbehrten allen dramatischen Lebens und selbst der lyrischen Innerlichkeit. Bei der Autorität, die Klopstock rasch erworben, folgten jedem von ihm eingeschlagenen Pfad zahlreiche ältere und jüngere Talente. Das biblische Epos fand Nachahmer; selbst der alternde Bodmer, der zu Klopstocks frühsten und glühendsten Bewunderern gehört hatte, dichtete ein Epos: „Noah“ („Die Noachide“), und eine ganze Reihe biblischer Dramen, der pietistische Staatsmann K. Friedr. v. Moser einen „Daniel in der Löwengrube“ (Heldengedicht in Prosa), S. Henning einen „Joseph“, Joh. Kaspar Lavater (1741–1801), der mit frischen und patriotischen „Schweizerliedern“ im Stil der Gleimschen Grenadierlieder begonnen hatte, einen zweiten „Jesus Messias“ und einen „Joseph von Arimathia“, Em. Wessely eine „Mosaide“. Andre versuchten die rhetorische Wirkung des Klopstockschen Epos zu übersteigern und verirrten sich, wie der letzte Klopstockianer, Franz v. Sonnenberg (1779–1805), in „Donatoa oder das Weltende“, in einen neuen sinnlosern Schwulst. Die Klopstockschen Bardiete gaben Anlaß zur Entstehung einer Bardenschule, deren Vertreter mit archaistischem Patriotismus und seelenlosen Phrasen Deutschheit und Tugend besangen, besten Falls ganz moderne Gesinnungen und Empfindungen in Phantasiestücke kleideten, bei denen keltische, deutsche und nordische Namen und Bilder wild durcheinander liefen. Hier glänzten der Wiener Jesuit Michael Denis (1729–1800) mit den „Liedern Sineds des Barden“, K. F. Kretschmann (1738–1809) mit dem „Gesang Rhingulfs des Barden“, D. G. Hartmann (Telynhard, 1752–75) und Heinr. Wilhelm v. Gerstenberg (1737–1823) mit den „Gedichten eines Skalden“ und dem tragischen Melodrama „Minona“, welchem sich unter den Anregungen der Sturm- und Drangperiode das Schauderdrama „Ugolino“ hinzugesellte. Von der Odendichtung Klopstocks wurde die gesamte deutsche Poesie berührt; als unmittelbare Nachahmer traten J. G. Willamov, Küttner u. a. auf. Selbständiger in Empfindung und Form, mit bewußter Nachahmung der Antike und einseitiger Pflege der Form dichtete Karl Wilhelm Ramler (1725–98), dessen Oden und lyrische Gedichte samt seiner Horaz-Übersetzung in ihrer formellen Glätte und pomphaften Äußerlichkeit, in der „die einfachsten und geringfügigsten Dinge zur Personifikation hohler Scheingestalten hinaufgeschraubt werden oder sich in volltönenden Worten die albernsten Umschreibungen gefallen lassen müssen“, einen großen Einfluß auf jüngere Dichter übten. Abseits von den norddeutschen Vertretern der Litteratur stand der Schweizer Salomon Geßner (1730–88), dessen zierliche, aber jeden natürlichen Hauches entbehrende Idylle derselben weichen Stimmung der Zeit entsprachen, welche die rührseligen Momente des „Messias“ allen andern des biblischen Gedichts vorziehen ließ. Hier war überall weder Innerlichkeit noch frische Natur, sondern ein unbestimmtes, hin- und hertastendes Sehnen nach der verlornen Innerlichkeit und der entrückten Natur.

Den schärfsten Gegensatz zu der Richtung, welche Klopstock der gesamten deutschen Litteratur zu geben suchte, bildete ein Schriftsteller heraus, dessen Anfänge ganz und gar unter den Einwirkungen Klopstocks gestanden, und der die höchsten Gipfel der seraphischen Poesie im ersten Anlauf zu ersteigen gesucht hatte. Chr. Martin Wieland (1733–1813), dessen epikureische, liebenswürdig heitere und weltlich verständige Natur schon früh über die anempfundene Schwärmerei und das moralisierende Pathos siegten, entwickelte in einem langen Leben voll der mannigfaltigsten Thätigkeit eine in der deutschen Litteratur völlig neue Anmut, schalkhafte Lebendigkeit und graziöse Leichtigkeit. Von seinen frühsten erzählenden Gedichten: „Musarion“, „Idris“ und „Der neue Amadis“, und den Romanen: „Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva“, „Agathon“, „Der goldene Spiegel“ bis zu den Meisterwerken der 70er und 80er Jahre: dem „Oberon“, der „Geschichte der Abderiten“, den spätern poetischen Erzählungen entfaltete Wieland eine beständig wachsende Sicherheit und lebensfrohe Behaglichkeit des Erzählens und Darstellens, die sich, obschon er französischen Mustern viel verdankte, sehr wesentlich von der frühern unselbständigen Franzosennachahmung unterschieden. Daneben erwarb er als Herausgeber des „Deutschen Merkur“, der ersten bedeutsamen litterarisch-belletristischen Zeitschrift in Deutschland, durch zahlreiche größere und kleine Arbeiten gemischter Natur, seine wichtige Übersetzerthätigkeit (erste deutsche Übertragung der Werke Shakespeares 1762–66) einen außerordentlichen Einfluß, zog sich freilich auch den ganzen Haß der strengern Naturen zu, welche nur Klopstocks Art und Weise innerhalb der deutschen Litteratur gelten lassen wollten. Die mittelbare und unmittelbare Nachwirkung Wielands brachte der deutschen Dichtung eine Fülle von heiterer Anmut, guter Lebensbeobachtung, seither nicht gekannter Beweglichkeit und litterarischer Vielseitigkeit; zugleich aber rief sie bedenkliche Frivolität und Flachheit, geschmacklose und hohle Vielproduktion hervor, denn gerade an Wielands schwächste Seiten, an die gelegentliche

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0746.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)
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