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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4

Lüsternheit und den Eudämonismus seiner Lebensanschauung, heftete sich das Heer der Nachahmer. Unter den bessern von Wieland angeregten Schriftstellern gediehen der frivol-graziöse M. A. v. Thümmel (1738–1817), der Verfasser des prosaischen Gedichts „Wilhelmine“ und der „Reise in die mittägigen Provinzen von Frankreich“, und Karl Aug. Musäus (1735–87) mit dem „Deutschen Grandison“ und den unterhaltend erzählten „Volksmärchen der Deutschen“ zu bleibenden Leistungen. Sonstige Belletristen ähnlicher Richtung waren: Joh. Tim. Hermes (1738–1821), dessen Roman „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“ ein Lieblingsbuch der Zeit ward; Wielands Jugendgeliebte Sophie v. La Roche (1730–1807), Verfasserin der „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“; A. G. Meißner (1753–1807), dessen „Skizzen“ und Roman „Alcibiades“ nebst einer langen Reihe von historisch-romantischen Gemälden nicht ohne das Verdienst einer gewissen Anschaulichkeit und Lebendigkeit waren; der Lustspiel- und komische Romandichter J. Fr. Jünger (1759–97); Ad. v. Knigge (1752–96), dessen Buch „Über den Umgang mit Menschen“ seinen Namen länger erhielt als seine Reiseschilderungen und Romane; der scherzhafte Erzähler F. A. Langbein (1757–1835) u. a. Indessen konnten sie alle nur vorübergehende Bedeutung haben. Auch die Nachahmer der Wielandschen romantischen Epik, J. B. Alxinger (1755–97) mit den Rittergedichten: „Doolin von Mainz“ und „Bliomberis“, L. H. v. Nicolay (1737–1820), der seine Poesie hauptsächlich aus Ariost schöpfte, und die travestierenden Poeten, welche Wielands Ironie und humoristische Behandlung des Ernsthaften popularisieren halfen, wie Al. Blumauer (1755–98, „Travestierte Äneide“) und K. A. Kortum (1745–1824, „Jobsiade“ und „Adams Hochzeitsfeier“), erwiesen, wie rasch sich die Gegensätze zu dem ehrbar-steifen, gelehrt-würdevollen Ton des vorausgegangenen Menschenalters herausgebildet hatten. Die satirischen Werke von Lichtenberg (1742–99) sind hier gleichfalls zu erwähnen.

Gewaltiger, tiefer und vielseitiger in die ganze geistige Bewegung der Zeit eingreifend, in eigenartiger Durchdringung von schaffender und kritischer Thätigkeit selbstgesteckte Ziele kühn erreichend und sich wie der gesamten deutschen Litteratur solche steckend, hinter denen man mit Ehren zurückbleiben kann, trat gleichzeitig mit Klopstock und Wieland Gotthold Ephraim Lessing (1729–81) hervor, der mit Recht ein Erwecker und Befreier der Litteratur geheißen werden durfte, insofern er auf den verschiedensten Gebieten das erlösende Wort sprach und mustergültige Originalwerke im höchsten Sinn schuf. In seinen Jugenddramen: „Der junge Gelehrte“, „Der Freigeist“, „Der Schatz“ noch französischen Vorbildern folgend, in seiner frühsten kritischen Thätigkeit von der herrschenden Anschauung und den ganzen Voraussetzungen der Gelehrtenpoesie noch mannigfach abhängig, durchbrach seine kühne und hochstrebende, nach klaren Anschauungen wie ganzen Leistungen ringende Natur rasch die Schranken. Durch die Nachempfindung und Nachbildung der englisch-bürgerlichen Dichtung hindurch, der seine Tragödie „Miß Sara Sampson“ entstammte, gedieh Lessing zu höchster Selbständigkeit und innerer Freiheit. Während seine großen kritischen Werke: die von ihm herrührenden Teile der „Litteraturbriefe“, „Laokoon, oder über die Grenzen der Poesie und Malerei“ und die „Hamburgische Dramaturgie“, die unerläßlichen Voraussetzungen und Grundbedingungen einer ganz auf eignen Füßen stehenden, Großes erstrebenden und leistenden Dichtung endlich und allmählich zum Bewußtsein brachten, schöpfte er in seinen dramatischen Meisterwerken (Meisterwerke vor allem nach der Seite einer konsequent entwickelten Handlung und einer geistvollen, lebendigen Charakteristik): dem Soldatenlustspiel „Minna von Barnhelm“, der bürgerlichen Tragödie „Emilia Galotti“ und dem Drama „Nathan der Weise“, mit fester Sicherheit aus der Fülle des umgebenden Lebens und aus der Tiefe der die Zeit erfüllenden großen Kämpfe, an denen er so unerschrocken wie würdevoll Anteil nahm. Wo die Erkenntnis durchdrang, daß die Dichtung in erster Linie Menschendarstellung sei, empfand man auch die Macht des Lessingschen poetischen Talents trotz des Mangels an lyrischem Stimmungshauch und Farbenfülle. Gesellten sich hierzu die beinahe unberechenbare Wirkung der mannhaften, edlen und ernsten, gegen alles Scheinwesen, alle Halbheit und anmaßende Mittelmäßigkeit gerichteten Lessingschen Polemik, seines furchtlosen Wahrheitsdranges, der ihn zum „Aufklärer“ im besten Sinn des Wortes erhob und doch von der flachen und selbstgefälligen Begnügsamkeit der spezifischen Aufklärung unwiderruflich schied, die bildende Kraft seiner geistreich geschmackvollen Behandlung der verschiedensten ästhetischen, litterarischen, philologischen, philosophischen und theologischen Fragen, der geistige Reiz seines klar durchgebildeten Stils, den selbst die kleinsten Arbeiten aufwiesen: so ergibt sich, wie allseitig und tiefgehend die Wirkung von Lessings Leben und Thun für die Litteratur werden mußte. Seine Stellung war bei alledem immer eine isolierte gewesen; eigentliche Schüler und Nachfolger konnte er um so weniger haben, je seltener sich die kritisch-dialektische Schärfe und der produktive poetische Trieb vereinigt finden. In den Kreisen der Berliner Aufklärer, in denen Lessing viel gelebt, erhob man wohl den unberechtigten Anspruch, seine Richtung allein zu vertreten und weiterzubilden, und setzte sich unter irrtümlicher Berufung auf Lessing gegen den Ausgang des Jahrhunderts jeder bedeutsamen Weiterentwickelung der Litteratur entgegen. Der Mitherausgeber der „Litteraturbriefe“, der Buchhändler Friedr. Nicolai (1733–1811), vertrat in zahlreichen Schriften den Standpunkt der „Aufklärung des Verstandes“, welche ihm meist mit der plattesten Nüchternheit und Utilitätsrichtung zusammenfiel und sich eng an die preußischen Zustände der Zeit Friedrichs d. Gr. anschloß. Von seinen Werken mit poetischem Anspruch war der aufklärerische Roman „Leben und Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker“ der bedeutendste und fand manche Nachahmer, so in Joh. Gottwerth Müller (1744–1828) mit „Siegfried von Lindenberg“ und dem komischen Roman „Emmerich“, in Chr. W. Kindleben (1748–85) mit „Wilibald Schluterius“ und „Emanuel Hartenstein“. Viel höher als alle diese stand J. J. Engel (1741–1802), in seinen Schauspielen: „Pflicht und Ehre“, „Der Edelknabe“, in den Abhandlungen und kleinen Erzählungen des „Philosophen für die Welt“ und dem bürgerlichen Roman „Lorenz Stark“ der letzte namhafte, nicht unverdienstliche Vertreter der ausschließlichen Verstandesrichtung in der poetischen Litteratur. Der Einfluß Lessings auf das Drama gab sich hauptsächlich durch die eifrige Pflege der bürgerlichen Tragödie und des bürgerlichen Schauspiels nach englischem Muster kund; die wilde Flut von Soldatenlustspielen, die der „Minna von Barnhelm“ folgte, hatte keine Bedeutung für die Litteratur und erwies nur,

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 747. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0747.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)
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