verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4 | |
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oder Treffliches leisteten. Hierher gehören Lyriker wie der weiche und elegante Fr. v. Matthisson (gest. 1831), sein kräftigerer Freund J. G. v. Salis (gest. 1834), A. Mahlmann (gest. 1826), Chr. Aug. Tiedge (gest. 1840, „Urania“), J. A. v. Halem (gest. 1819), K. Ph. Conz (gest. 1827), Schmidt von Lübeck (gest. 1849, populär gewordene Lieder: „Von allen Ländern in der Welt“ etc.), Karl Lappe (gest. 1843, „Nord oder Süd“), Fr. Wilh. Aug. Schmidt von Werneuchen (gest. 1832), den Goethe in dem Gedicht „Musen und Grazien in der Mark“ verspottete, Ludw. Theobul Kosegarten (gest. 1818), dessen ländliches Gedicht „Jucunde“ eine Zeitlang viel bewundert ward, u. a.; hierher Dramatiker einer dürren Regelmäßigkeit, welche sich neben der eigentlich klassischen lebensvollen Kunst geltend zu machen suchte, wie Joh. Heinrich v. Collin (gest. 1811, „Regulus“, „Coriolan“), oder Originalgenies vom Schlag des derben, knorrigen J. G. Seume (1763–1810), dessen autobiographische Schriften („Spaziergang nach Syrakus“, „Mein Sommer“ u. a.) größeres Verdienst hatten als seine Dichtungen. Daneben standen jene Autoren in hohem Ansehen, welche die Gefühls- und Gedankenelemente der letzten Jahrzehnte mit den Überlieferungen der Aufklärungsperiode äußerlich und zum Zweck der Unterhaltung verbanden, so A. v. Kotzebue (1761–1819), der fruchtbare und erfindungsreiche, aber charakterlose Theaterschriftsteller, dessen Lustspiele und Dramen die Bühnen förmlich überschwemmten und fast in Alleinbesitz nahmen; so August Lafontaine (1758–1831), dessen rührselige Romane und „Gemälde des menschlichen Herzens“ Tausende von weichlichen Naturen entzückten; so Fr. W. v. Meyern (gest. 1829), dessen Roman „Dya-na-Sore“ ein echtes Produkt der Gärungsperiode am Ende des 18. Jahrh. war; so August v. Klingemann (1777–1831), der in hohlen Romanen und Dramen (er dichtete einen „Schweizerbund“ wie einen „Faust“) Schiller und Goethe die Spitze zu bieten suchte; so Heinrich Zschokke (1771–1848), der, mit Schauerdramen („Abällino, der große Bandit“) und sentimentalen Romanen („Alamontade, der Galeerensklave“) beginnend, sich zu einem gewandten Erzähler leichter Art wandelte. – Unter dem unmittelbaren Einfluß der weimarischen Freunde standen nur einige Talente zweiten Ranges, neben den Dichterinnen Sophie Mereau (gest. 1806) und Amalie v. Helvig, geborne v. Imhof (gest. 1831, „Die Schwestern von Lesbos“), Schillers Schwägerin Karoline v. Wolzogen (gest. 1847, „Agnes von Lilien“), Chr. Ludwig Neuffer (gest. 1839, „Die Herbstfeier“, „Der Tag auf dem Lande“), die Erzähler Friedrich Rochlitz (gest. 1842) und Ernst Wagner (gest. 1812, „Willibalds Ansichten des Lebens“, „Die reisenden Maler“). Höheres erstrebte Schillers begabtester Schüler, Friedr. Hölderlin (1770–1843), dessen schwungvolle lyrische Dichtungen, der Roman „Hyperion“ und das Fragment „Empedokles“, einer leidenschaftlichen Sehnsucht nach einer höchsten, unerreichbaren Freiheit und Schönheit des Lebens Ausdruck geben. Zu klassischer Vollendung bildete J. P. Hebel (1768 bis 1826) in den „Erzählungen des rheinländischen Hausfreundes“ die volkstümliche Erzählung aus und bewährte in seinen „Gedichten in alemannischer Mundart“ eine tief gemütvolle, schalkhaft-liebenswürdige Natur. Selbst Jean Paul fand Nachfolger und Nachahmer im Grafen Bentzel-Sternau (1767–1849), dessen Romane („Das goldene Kalb“ und „Pygmäenbriefe“) die Mängel des Vorbildes lebhafter empfinden lassen als die Vorzüge desselben; in August Emil, Herzog zu Sachsen-Gotha (gest. 1822, „Kyllenion“), Karl Julius Weber (gest. 1832, „Demokritos“) u. a. Auch die Prosalitteratur dieses Zeitraums nahm in fortwährender Wechselwirkung mit der Dichtung einen glänzenden Aufschwung. Der stärkste und segensreichste geistige Einfluß, der außer dem Goethe-Schillerschen auf die damalige und manche folgende Generation stattfand, ging von dem größten deutschen Philosophen, Immanuel Kant (1724–1804), aus, dessen Hauptwerke: die „Kritik der reinen Vernunft“ (1781), die „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“, die „Kritik der praktischen Vernunft“ und „Kritik der Urteilskraft“, mit ihrer unerbittlichen Kritik eine klärende und mit ihrer Betonung des sittlichen Willens, des Prinzips der Freiheit, eine mächtig erhebende Wirkung ausübten. Die philosophischen Schriftsteller K. L. Reinhold, L. H. v. Jacob, J. F. Fries, G. E. Schulze halfen die Kantschen Ideen in weite Kreise verbreiten. Aus der Gruppe selbständiger und eigentümlicher Denker, welche zur kritischen Philosophie und zur klassischen Dichtung in Bezug treten, sind noch hervorzuheben: Wilhelm v. Humboldt (1767–1835), ästhetisch-philosophischer Schriftsteller von seltener Tiefe, und dessen jüngerer Bruder, Alexander v. Humboldt (1769–1859), der große Reisende und Naturforscher, der mit seinen in glänzender Darstellung auftretenden „Ansichten der Natur“ und dem Spätlingswerk „Kosmos“, in dessen Anlage und Stil die klassische Periode gleichsam noch einmal auflebte, nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Nationallitteratur angehört. Die Geschichtsdarstellung ward durch Johannes v. Müller (1752–1809) namentlich in den „Geschichten der schweizerischen Eidgenossenschaft“ auf die Höhe klassischer Litteraturleistungen erhoben und behauptete sich auf derselben mit den Werken von Ludw. Tim. v. Spittler („Geschichte des Papsttums“), Ludw. Heeren („Ideen über Politik, Verkehr und Handel der alten Völker“, „Geschichte der Staaten des Altertums“), Chr. Friedr. Schlosser („Geschichte der bilderstürmenden Kaiser“, „Geschichte des 18. Jahrhunderts“) u. a.
Noch während der letzten Periode der schöpferischen Thätigkeit Goethes und Schillers, ehe die Ideale der klassischen Litteratur auch nur entfernt die Massen ergriffen und durchdrungen hatten, schien sich eine neue Entwickelung des deutschen Geisteslebens, speziell der Dichtung, vorzubereiten. Gleich dem „Sturm und Drang“ ging die neuauftretende Romantik vom Kampf gegen die Plattheit und Nüchternheit der in Norddeutschland noch immer herrschenden Aufklärung, von der Sehnsucht nach lebendiger Poesie und poetischem Leben aus, sah in ihren ersten Regungen die Goetheschen Jugenddichtungen als die eigentlichen Muster der echten Poesie an und strebte durch Aneignung der großen Dichter des Auslandes (Shakespeare, Dante, Cervantes, Calderon etc.) den eignen poetischen Horizont zu erweitern. Bald freilich gesellten sich neue Momente der Entwickelung hinzu. Die philosophischen Anschauungen J. G. Fichtes (1762–1814), dessen strenger Idealismus in seiner „Wissenschaftslehre“ alles, was außerhalb des geistigen Ichs liegt, als Produkt des Ichs betrachtete, und Friedrich Wilhelm Joseph v. Schellings (1775–1855), dessen Identitätsphilosophie das Ideale und Reale in der Idee des Absoluten aufzuheben strebte, und der speziell die Kunst als Offenbarung
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0751.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)