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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4

verbürgen, dazu der flüchtigen und rasch von einem zum andern eilenden Teilnahme des Publikums gewiß sind, doch für die volle künstlerische Durchbildung des poetischen Talents nur in den seltensten Fällen sich günstig zeigen und die von alters her mit ihnen verbundene Versuchung, außerpoetische Elemente und Aufgaben in den Kreis der Darstellung zu ziehen, unter heutigen Verhältnissen doppelt ausüben. Die bedenklichen Elemente, die sich in die Litteratur der Gegenwart hineindrängen, erscheinen im Roman um deswillen gefährlicher als in der dramatischen Litteratur, weil dem Publikum thatsächlich im Roman noch mehr als beim gangbaren Theaterstück die richtigen Maßstäbe fehlen. Der schlechteste Unterhaltungsroman, der irgend ein neues Element der Spannung in sich aufnimmt, kann dem poetischen Roman nicht bloß gleichstehend, sondern überlegen gefunden werden, weil auch der poetische Roman nur auf seine unterhaltenden, zerstreuenden oder in materieller Weise spannenden Momente hin beachtet wird und sich selten des Vorzugs erfreut, daß man der poetischen Grundidee und poetischen Ausführung einen besondern Wert beilegt. Der großen Zeitromane Gutzkows, welche zum Teil Beziehungen der Gegenwart tendenziös reflektieren, wurde schon gedacht. Die politischen und sozialen Fragen der Gegenwart behandelt Fr. Spielhagen (geb. 1829) in seinen geistvoll geschriebenen Romanen („Problematische Naturen“, „In Reih und Glied“, „Hammer und Amboß“, „Was die Schwalbe sang“, „Sturmflut“ etc.). Noch vor Spielhagen erregte Max Waldau (G. Spiller v. Hauenschild, gest. 1855) Aufsehen durch seine jean-paulisierenden Erstlingswerke: „Nach der Natur“ und „Aus der Junkerwelt“. Den höchsten und wohlverdienten Beifall erhielt Fr. Reuter (1810–74) durch seine in plattdeutscher Mundart vorgetragenen humoristischen Geschichten und Romane („Ut de Franzosentid“, „Ut mine Stromtid“, „Dörchleuchting“ etc.). Einen bedeutenden Anlauf nahm Luise v. François (geb. 1817, „Die letzte Reckenburgerin“, „Die Stufenjahre eines Glücklichen“, „Der Katzenjunker“) durch Charakteristik und Originalität der Darstellung. Reich an Erlebnis und Stimmung zeigten sich auch die Romane von Moritz Hartmann („Erzählungen eines Unsteten“, „Von Frühling zu Frühling“), Herm. Grimm („Unüberwindliche Mächte“), Hans Hopfen („Verdorben zu Paris“, „Juschu“, „Der graue Freund“). Ein glänzendes, wahrhaft poetisches Talent offenbarte sich in den Werken des Schweizers Konr. Ferd. Meyer (geb. 1825, „Georg Jenatsch“, „Der Heilige“), eine originelle Kraft in P. K. Roseggers (geb. 1843) großenteils dem Leben seiner heimatlichen Alpen entlehnten Romanen und Geschichten. Zur Unterhaltungslitteratur im besten und bessern Sinn gehören die meisten Romane von Hermann Kurz, Levin Schücking, Ernst Willkomm, Karl Frenzel, W. Genast, Otto Müller, Robert Byr (v. Bayer), Gustav vom See (v. Struensee), Herm. v. Schmid, Aug. Becker, Georg Hesekiel, Max Ring, Wilhelm Jensen („Minatka“, „Unter heißerer Sonne“, „Eddystone“, „Drei Sonnen“ etc.) u. a. Unter den Humoristen zeichneten sich Karl v. Holtei (gest. 1880, „Die Vagabunden“, „Christian Lammfell“), der originelle, aber bizarre Bogumil Goltz (gest. 1870, „Ein Jugendleben“, „Buch der Kindheit“, „Kleinstädter in Ägypten“), Hermann Marggraff (gest. 1864, „Fritz Beutel“), Ludwig Steub („Deutsche Träume“), Hermann Presber, Georg Schirges, A. Silberstein aus. Als poetisch bedeutender Humorist mit einem gewissen Zug zum Pessimismus erscheint W. Raabe (Jak. Corvinus) in den Romanen: „Der Hungerpastor“, „Abu Telfan“, „Der Schüdderump“, „Horacker“ und zahlreichen phantasievollen Erzählungen. Wunderliche Abirrungen der Romanlitteratur erstanden in den Gattungen des Kriminalromans, durch Temme, Bäuerle; des exotischen Romans, durch Gerstäcker, Ruppius, v. Bibra, Armand (v. Strubberg) u. a.; des politischen Sensationsromans, durch Leo Wolfram (Prantner, „Dissolving views“), Retcliffe (Goedsche), Gregor Samarow (Meding, „Um Zepter und Kronen“, „Europäische Minen und Gegenminen“); des sogen. biographischen Romans, durch. A. E. Brachvogel, Heribert Rau, vor allen durch die jede Lesewut stillende, geschmackverderblich wirkende Luise Mühlbach vertreten. Unter den vielen weiblichen Romanschriftstellern zeichneten sich rühmlicher aus: Eliza Wille („Felicitas“, „Johannes Olaf“), Fanny Lewald, Therese v. Bacharacht, Ottilie Wildermuth, Marie Nathusius, Julie Burow, Karl Detlef (A. Bauer), die Novellistinnen der „Gartenlaube“: E. Marlitt (Eugenie John) und E. Werner (Elisab. Bürstenbinder), Sophie Junghans, W. Heimburg (B. Behrens); Aline v. Schlichtekrull, Claire v. Glümer, Adelh. v. Auer (Charl. v. Cosel) etc. Zahlreiche Romane schrieben auch Fanny Tarnow, Amely Bölte, Ida v. Düringsfeld, Luise Otto, Franz v. Nemmersdorf (Frau v. Reitzenstein) u. a. – Die Novelle und kleinere Erzählung kam in der neuesten Zeit zu besondern Ehren, indem sie von der Romantik und Reflexion emanzipiert und von einer Reihe jüngerer Kräfte künstlerisch behandelt wurde. Hauptvertreter dieser Dichtungsgattung waren und sind (soweit sie nicht schon früher genannt wurden): Gottfried und Johanna Kinkel, Herman Grimm, Theodor Storm (geb. 1817, „Immensee“, „Geschichten aus der Tonne“, „Aquis submersus“ etc.), Wilh. Jensen, K. Heigel, O. Roquette („Luginsland“, „Euphrosyne“, „Das Buchstabierbuch der Leidenschaft“), Ad. Stern („Am Königssee“, „Neue Novellen“, „Aus dunkeln Tagen“, „Die letzten Humanisten“), L. Laistner, Hieronymus Lorm (Heinr. Landesmann), Stephan Milow, Golo Raimund, R. Waldmüller (Duboc), der phantastische M. Solitaire (Woldemar Nürnberger), Leopold Kompert („Geschichten einer Gasse“), der konservativ-religiös gesinnte Viktor v. Strauß, Karl Em. Franzos („Aus Halbasien“, „Die Juden von Barnow“), L. Sacher-Masoch, Rudolf Lindau u. a.; von weiblichen Talenten Marie Ebner-Eschenbach, Elise Polko u. a.

Auch in der neuesten Zeit wußten einzelne Vertreter strenger Fachwissenschaft durch die klassische Vollendung und Schönheit ihrer Darstellung sich einen Platz in der Nationallitteratur zu sichern, so die Historiker H. v. Sybel („Geschichte der französischen Revolution“), W. Giesebrecht („Geschichte der deutschen Kaiserzeit“), Theodor Mommsen („Römische Geschichte“), M. Duncker („Geschichte des Altertums“), Jak. Burckhardt, Baumgarten, v. Noorden u. a., der oder die Verfasser des großen Generalstabswerks „Der deutsch-französische Krieg 1870–71“, die Litterarhistoriker Hermann Hettner, W. Scherer. Große Wirkungen in ihren Kreisen und auf ihren Gebieten gewannen außerdem die Essayisten Karl Hillebrand, M. M. v. Weber, Johannes Scherr, Julius Duboc, K. Frenzel, die Humoristen L. Walesrode, H. Schiff, Ernst Kossak, Ernst Dohm, Kalisch und Löwenstein („Kladderadatsch“), Julius Stettenheim („Wespen“), die trefflichen Reiseschilderer Kohl, Roß, Ad. Stahr, Ferd. Gregorovius, Scherzer, Moritz Wagner, Andr. Oppermann, Fontane, L. Passarge, W. Kaden, Max Eyth („Wanderbuch eines Ingenieurs“) u. a.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0758.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2023)
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