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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5

Leben selbst überging. Der Kreis dieser Kenntnisse und Fertigkeiten umfaßte zunächst Grammatik, Musik, Geometrie, Astronomie und Gymnastik, später die sogen. Freien Künste (s. d.), deren Grundzüge, wie sie durch griechische Wissenschaft ausgebildet waren, M. Terentius Varro (um 30 v. Chr.) in seinen „Disciplinarum libri IX“ und nach ihm Martianus Capella (um 415 n. Chr.) in seinem „Satiricon“ aufstellte. Was die Alten sonst an encyklopädischen Werken besaßen, waren Spezialencyklopädien. Das erste derartige Werk soll Platons Schüler Speusippos verfaßt haben, Ähnliches lieferten der eben erwähnte Varro in seinen verloren gegangenen „Rerum humanarum et divinarum antiquitates“, einer römischen Altertumskunde, und Plinius der ältere in seiner „Historia naturalis“, einer E. der Naturwissenschaften. Gleichfalls für Fachwissenschaften berechnet waren im Mittelalter die Summae, welche den Studenten in den Kollegien zum Auswendiglernen diktiert wurden, und die „Specula“, ein besonders häufig für Rechtsbücher gewählter Titel. Den ersten Versuch, ein Kompendium aller Wissenschaften und Künste zu geben, machte Isidorus Hispalensis um 600 mit seinen berühmten „Originum seu etymologiarum libri XX“, dem später Hrabanus Maurus (um 850), Vincent von Beauvais („Speculum majus“, um 1260), die Schweizer Ringelberg („Cyclopaedia“, Basel 1559) und Scalich („Encyclopaedia“, das. 1559); Martini (1606), Alsted (1620) nachfolgten. Aber alle diese Werke sind bloße Materialiensammlungen ohne eine philosophische Durchdringung des Stoffes. Den innern Zusammenhang der einzelnen Wissenschaften darzulegen, hatte zwar bereits 1300 Lullus in seiner „Ars magna“ angestrebt, aber als der eigentliche Schöpfer der E. auf philosophischer Grundlage ist Baco von Verulam anzusehen. Wenngleich die von ihm aufgestellte Einteilung der Wissenschaften nach den drei Vermögen des Geistes in dem „Organon scientiarum“ (Lond. 1620) und der Schrift „De dignitate et augmentis scientiarum“ (das. 1623) sich als irrig erweist, so gebührt ihm doch das Verdienst, die Philosophie, welche man früher als Zentralwissenschaft von der E. abgelöst hatte, zur Grundwissenschaft erhoben und nach philosophischen Prinzipien eine vollständige Übersicht und Einteilung des gesamten Gebiets der Wissenschaften gegeben zu haben. Während seine nächsten Nachfolger (Chevigny, Wagenseil, Morhof) sich als geistlose Kompilatoren zeigten, gelang es nach dem Vorgang Gesners erst J. G. Sulzer mit seinem „Kurzen Begriff aller Wissenschaften“ (Berl. 1756), das Muster einer E. nach den damals herrschenden empirischen und eklektischen Systemen zu entwerfen. Unter Sulzers Nachfolgern und Nachahmern sind namentlich Adelung, Reimarus, Klügel und Buhle zu nennen. Eine neue Epoche in der Behandlung der E. begründete die Kantsche Philosophie. Der erste, welcher die Wissenschaftskunde nach Kantschen Prinzipien konstruierte, war Joh. Joach. Eschenburg („Lehrbuch der Wissenschaftskunde“, Berl. 1792, 3. Aufl. 1809), dessen Ideen von Habel, Rüf und Straß in den Kreis der Studierenden gebracht wurden, wogegen Heffter, Burdach und Kraus mehr für Gelehrte arbeiteten. Einen bedeutenden Fortschritt verdankt die Wissenschaftslehre dem Kantschen Philosophen K. Ch. Erh. Schmid, dessen „Allgemeine E. und Methodologie der Wissenschaften“ (Jena 1810) eine strengere logische Klassifikation einführte und von K. A. Schaller zu einer „E. und Methodologie der Wissenschaften für angehende Studierende“ (Magdeb. 1812) verarbeitet ward. Von den spätern hierher gehörigen Werken sind nur Kirchners „Akademische Propädeutik“ (Leipz. 1842) und „Hodegetik“ (das. 1852) erwähnenswert. In neuerer Zeit hat sich die E. mit besonderer Vorliebe der speziellen oder Fachencyklopädie zugewandt, indem man einzelne Wissenschaften nach bestimmten Prinzipien gliederte und demgemäß systematisch behandelte. So wurden (unter dem Titel: „E. und Methodologie“) z. B. die klassische Philologie von Böckh, die neuern Sprachen von Schmitz, die romanische Philologie von Körting, die Rechtswissenschaft von Arndts, Holtzendorff, Merkel, die Theologie von Hagenbach, Räbiger, Zöckler u. a., die Pädagogik von Stoy, die Staatswissenschaften von Mohl, die Kulturtechnik von Dünkelberg, die Forstwissenschaft von Heß etc. bearbeitet. Ferner wurden größere Sammlungen von systematischen Einzelwerken über die verschiedensten Zweige des Wissens unter dem Namen E. vereinigt, so: Snells „E. sämtlicher Kenntnisse oder Schulwissenschaften“ (Gießen 1805–1815, 19 Bde.); die epochemachende „Encyclopaedia metropolitana“ (nach dem Plan von S. Taylor Coleridge ausgearbeitet, Lond. 1818–45, 30 Bde.); Lardners „Cabinet Cyclopedia“ (das. 1830 ff., 132 Bde.); die „Neue E. der Wissenschaften und Künste“ (Stuttg. 1847–52, 8 Bde.); „Allgemeine E. der Physik“ von Karsten, Helmholtz, Lamont u. a. (Leipz. 1856–67, 8 Tle.); Frémys „Encyclopédie chimique“; die „E. der Naturwissenschaften“ (Bresl. 1877 ff.), welch letztere auch lexikalisch bearbeitete Teile in sich schließt; Zöcklers „Handbuch der theologischen Wissenschaften in encyklopädischer Darstellung“ (Nördling. 1882–83, 3 Bde.) u. a. Für bibliothekarische Zwecke berechnet ist A. A. E. Schleiermachers „Bibliographisches System der gesamten Wissenschaftskunde“ (Braunschw. 1852, 2 Tle.). – Während so allgemeine und besondere Encyklopädien nebeneinander geschaffen wurden, blieb doch die Form dieselbe. Sie waren alle systematisch abgefaßte große Lehrbücher oder Kompendien; mit dem Anfang des 17. Jahrh. aber kam die lexikalische oder alphabetische Anordnung auf, welche die Belehrung nicht im ganzen, sondern im einzelnen bezweckt, das System in unzählige selbständige Artikel auflöst und auf das Nachschlagen im Fall des Gebrauchs berechnet ist. Dabei tritt das System, welches die einzelnen Artikel zusammenhält und die Vollständigkeit der ganzen Anlage verbürgt, nur ausnahmsweise in Form einer systematischen Inhaltsübersicht hervor.

Realencyklopädien. Konversationslexika.

Ihren Vorläufer hatte die E. in lexikalischer Form (Realencyklopädie) bereits in dem „Lexikon“ betitelten Realwörterbuch des Suidas (10.–11. Jahrh.) gehabt; eine weitere Pflege erfuhr sie aber erst im 17. Jahrh. Es entstanden nun Lexika oder Diktionarien, welche bald die E. schlechthin, bald eine Spezialencyklopädie, bald wenigstens gewisse Gruppen vertraten. Unter diesen Gruppen steht die der Wissenschaften und Künste obenan, welche ihre Bearbeitung in den französischen Wörterbüchern von Furetière (Rotterd. 1690, 2 Bde.) und Thom. Corneille (Par. 1694, 2 Bde.), in der sehr verdienstvollen englischen „Cyclopaedia“ von Ephraim Chambers (Lond. 1728, 2 Bde.) und dem deutschen „Allgemeinen Lexikon der Künste und Wissenschaften“ von Jablonski (Leipz. 1721) fand. Zur zweiten Gruppe, welche Geschichte, Geographie und Biographie sich zum Hauptzweck machte, gehören: in Frankreich die „Dictionnaires“ von Moreri (1673; 20. Aufl. 1759, 10 Bde.) und von Bayle („Dictionnaire historique et critique“, 1696 u. öfter, auch in deutscher Bearbeitung

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 614. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b5_s0614.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2022)
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