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Seite:Meyers b8 s0040.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

allgemeinen die Altstadt und das Zentrum desselben der Neubau Hamburgs. Ein besonderes Interesse gewährt die Vorstadt St. Pauli mit ihren Volkstheatern, Zirkussen, Karussellen etc.

[Bauwerke.] H. besitzt 13 Kirchen und mehrere Kapellen. Die älteste Kirche, der schon zu Karls d. Gr. Zeit gegründete, öfters zerstörte, im 12. Jahrh. neu aufgeführte Dom, wurde 1805 wegen Baufälligkeit abgebrochen. Die Katharinenkirche (mit 122 m hohem Turm) und die Jakobikirche (mit 114 m hohem Turm), beide vom Brand verschont, sind jetzt die einzigen aus dem Mittelalter stammenden Kirchen Hamburgs. Sie sind im gotischen Stil zu Ende des 14. und im 15. Jahrh. erbaut worden; nur die Türme sind neuern Ursprungs, da die alten durch Blitz und Sturm zerstört worden sind. St. Jakobi war die erste Kirche in Deutschland, welche durch einen Blitzableiter geschützt wurde (1782 von Reimarus). An derselben war bis 1661 der Humorist und Satiriker Schuppius Pastor, an St. Katharinen der gelehrte Dichter Ph. Nicolai und der durch den Streit mit Lessing bekannte Hauptpastor Goeze angestellt. Die größte Kirche Hamburgs ist die Michaeliskirche, welche 1751–62 durch Ernst Georg Sonnin erbaut ward, nachdem die frühere, erst 1661 eingeweihte Kirche gleiches Namens 1750 durch einen Blitzstrahl eingeäschert worden. Ihre Länge beträgt 70, ihre Breite 52 m. Sie liegt auf dem höchsten Punkte der Stadt, ruht auf vier kolossalen Tragepfeilern und ist eine Kreuzkirche. Der 1778–86 aufgeführte Turm, 143 m hoch, im obern Teil Holzkonstruktion, ist oft zu physikalischen Beobachtungen benutzt worden. Den prächtigsten Kirchenbau hat Neuhamburg aufzuweisen: die neue St. Nikolaikirche, die an Stelle der alten, 1842 mit abgebrannten errichtet ist. Sie ist im rein gotischen Stil erbaut und zwar von Backsteinen mit reichen Verzierungen von Sandstein, welcher zum obern Teil des Turms ausschließlich verwendet ward, so daß diese Kirche dadurch alle Bauten der frühern Jahrhunderte im nördlichen Deutschland übertrifft. Das Innere zieren Marmorstufen, ein Fußboden von schwarz und weißem Marmor, Marmorsäulen über dem Chor, Altar und Kanzel von farbigem Marmor, über dem Altar ein Christus am Kreuz in kolossaler Größe sowie unter dem Kreuz ein Relief, Christus am Ölberg, beides in weißem Marmor ausgeführt. Der Plan zur Kirche, welche im September 1863 dem Gebrauch übergeben ward, ist von dem Engländer George Gilbert Scott. Die Länge derselben beträgt 84, die Breite 31, die Höhe 36 m. Der 1874 vollendete Turm hat eine Höhe von 147 m. Auch die St. Petrikirche, die 1842 ebenfalls ein Raub der Flammen ward, ist im gotischen Stil des 14. Jahrh. neu erbaut und bereits 1849 eingeweiht worden. Der im J. 1878 vollendete Turm ist ganz in der Form des frühern, jedoch mit etwas höherer Spitze errichtet worden; seine Höhe vom Straßenpflaster aus beträgt 113,16 m. Neben diesen fünf Hauptkirchen sind noch zu erwähnen: die Georgskirche (Dreifaltigkeitskirche) in der ehemaligen Vorstadt St. Georg, die St. Paulskirche in der Vorstadt St. Pauli, die kleine Michaeliskirche (seit 1824 im Besitz der Katholiken), die englisch-bischöfliche Kirche am Zeughausmarkt und die englische Reformkirche sowie die deutsch-reformierte Kirche (seit 1854).

Unter den übrigen öffentlichen Gebäuden steht die Börse im neuen H. (auf dem Adolfsplatz) obenan. Sie wurde an der Stelle des ehemaligen Maria-Magdalenenklosters 1836–41 aufgeführt und blieb mitten im Brand von 1842 stehen. Sie ist 71 m lang und 51 m breit. Der für das Börsenpublikum bestimmte innere Raum wird durch große Fenster von oben erleuchtet und ist auf allen vier Seiten von Bogengängen umgeben; in einem Seitengebäude befinden sich die 50,000 Bände starke Kommerzbibliothek, reich an neuern Werken der Geographie, Statistik und der Geschichte, die Lesezimmer der Börsenhalle etc. Unweit der Börse ist die Bank, seit 1876 Eigentum der Reichsbank. Das ehemalige Rathaus, dem alten Börsenplatz gegenüber, mußte beim Brand von 1842 durch Sprengen geopfert werden; mit dem Bau des neuen (zwischen der Börse und dem Alsterbassin) ist begonnen worden. Vorläufig dient als solches das ehemalige Waisenhaus in der Admiralitätsstraße (1785 erbaut). Ansehnliche Gebäude sind ferner das neue Schulhaus (1837–40 an der Stelle des alten Doms erbaut), welches das Gymnasium und Johanneum nebst der etwa 400,000 Bände und 5000 Manuskripte zählenden Stadtbibliothek (in fünf großen Sälen) und das naturhistorische Museum enthält, und die neue Kunsthalle (nach den Plänen Schirrmachers) auf der Alsterhöhe, der gegenüber auf der sogen. Ferdinandshöhe das Schillerdenkmal (von Lippelt modelliert) steht. Ein sehenswertes Kriegerdenkmal (modelliert von Schilling) steht an der Esplanade, ein Lessingdenkmal (modelliert von Schaper) auf dem Gänsemarkt, und auf der Trostbrücke in der Altstadt befinden sich die von Peiffer hergestellten Statuen des Apostels des Nordens, Ansgar (gest. 863), und des Grafen Adolf II. von Holstein und Schauenburg (gest. 1225); die des Reformators Bugenhagen befindet sich vor dem Gymnasium. Das große und geschmackvolle Stadthaus ist von Baron Görtz, dem später enthaupteten Finanzminister Karls XII. von Schweden, erbaut und 1722 von der Stadt angekauft worden. Ein neues großartiges Postgebäude wird beim Dammthor errichtet, während das jetzige Postgebäude der Sitz andrer Behörden werden wird. Vor dem Holstenthor befindet sich das ausgedehnte neue Justizgebäude (nur für die Strafgerichte bestimmt). Mit Wasser wird die Stadt durch die großartige Stadtwasserkunst versorgt, welche dasselbe 2 km weit von Rothenburgsort an der Oberelbe herleitet. Sie entstand 1844 und wurde seitdem stetig erweitert; ihre Röhren haben eine Gesamtlänge von etwa 322 km.

[Bevölkerung.] Die Zahl der ortsanwesenden Bewohner der Stadt betrug 1885 für die Stadt H. mit St. Georg 237,191, für St. Pauli 64,397, für die Vororte 165,411, in Summa für ganz H. mit Einschluß der Schiffsbevölkerung (3959 Mann) und des Militärs (2 Bataillone Infanterie) 471,275. Die Lutheraner haben in Stadt und Vororten 19 Kirchen und Kapellen, die Reformierten 3 Kirchen, die Anglikaner 1 Kirche; außerdem bestehen Kapellen und Bethäuser für verschiedene Religionsgemeinschaften. Die früher nur geduldeten Katholiken (erst 1784 konzessioniert) und die Reformierten (1785 konzessioniert) haben seit 1814 und 1819 mit den Lutheranern gleiche bürgerliche Rechte. Die katholische Gemeinde hat außer einer Kirche (s. oben) noch eine Kapelle in einem kath. Waisenhaus in St. Georg; der Bischof von Osnabrück fungiert als apostolischer Vikar in H. Für die deutsch-israelitische Gemeinde bestehen drei Gotteshäuser, darunter die neue Synagoge an den Kohlhöfen, für die portugiesisch-israelitische Gemeinde ein Bethaus. Die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten mit der christlichen Bewohnerschaft erfolgte vollständig im J. 1848. Was den Charakter des Hamburger Lebens betrifft, so hat dasselbe in der neuern Zeit viel von seinen alten Eigentümlichkeiten eingebüßt,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0040.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2023)
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