verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8 | |
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aber die ältesten erhaltenen Handschriften des Zendavesta sind auf Papier geschrieben und nur wenige Jahrhunderte alt. Die alten Assyrer kannten noch kein andres Schreibmaterial als Thontäfelchen, deren sich bei den neuern Ausgrabungen viele gefunden haben. In Indien liegen Inschriften aus dem 3. Jahrh. v. Chr. vor, aber die ältesten Handschriften gehören dem 12. Jahrh. an. Dieser Umstand fällt indes dem zerstörenden Klima Indiens zur Last, dem die Palmblätter, auf die man gewöhnlich zu schreiben pflegte, nicht zu widerstehen vermochten, außer in Nepal, wo sich bedeutend ältere Handschriften erhalten haben. Noch weniger dauerhaft sind die Birkenblätter, und auch das chinesische Papier, das die Mohammedaner um das Jahr 1000 nach Indien brachten, pflegt sich daselbst nur wenige Jahrhunderte zu halten. Die hinterindischen Handschriften, die alle nicht alt sind, sind häufig mit schwarzen Lettern auf mit Silber überzogene Holztafeln geschrieben.
Bedeutende Handschriftensammlungen finden sich in allen größern Bibliotheken Europas. An wichtigen lateinischen und griechischen Handschriften sind Italien und Paris besonders reich; die wertvollsten Sammlungen orientalischer Handschriften besitzt England, wo namentlich die Bodleyanische Bibliothek in Oxford an persischen, das Britische Museum an syrischen und die India Office Library in London an indischen Handschriften ungemein reich sind. Die wichtigsten Handschriftensammlungen Deutschlands sind die Berliner und die Münchener. Gute Handschriftenverzeichnisse mit genauer Angabe der Beschaffenheit, des Alters, Schriftcharakters und der Herkunft der Handschriften sowie ihres Verhältnisses zu andern Handschriften oder Drucken des nämlichen Werkes gehören zu den verdienstlichsten Arbeiten eines Bibliothekars. Von ältern Werken dieser Art sind z. B. Bandinis Werk über die Lorenzbibliothek in Florenz (1764–93) und Montfaucons kürzere „Bibliotheca bibliothecarum manuscriptorum nova“ (1739, 2 Bde.) hervorzuheben. Unter den neuern europäischen Handschriftenkatalogen gehören die Berliner, Münchener, Wiener, Oxforder, Londoner Verzeichnisse zu den hervorragendsten. Ein bibliographisches „Verzeichnis der Handschriftenkataloge der deutschen Bibliotheken“ von A. Blau verdanken wir dem „Zentralblatt für Bibliothekswesen“ (3. Jahrg., 1886). In Frankreich ist 1885 ein „Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France“ begonnen, der die Pariser und die Departementsbibliotheken umfassen soll. Die Handschriftenschätze des Vatikans werden verzeichnet in der seit 1885 zu Rom erscheinenden „Bibliotheca apostolica Vaticana codicibus manuscriptis recensita“. Eine wertvolle Sammlung mittelalterlicher Handschriftenkataloge lieferte G. Becker: „Catalogi bibliothecarum antiqui“ (Bonn 1885). Wichtig für das Studium der indischen Litteratur sind die verschiedenen im Auftrag der englischen Regierung neuerdings herausgegebenen Verzeichnisse über die außerordentlich massenhaften Sanskrithandschriften, die in den großen in Indien befindlichen Sammlungen aufgespeichert sind. Vgl. noch H. Hofmann, Handschriftenkunde für Deutschland (Bresl. 1831); Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter (2. Aufl., Leipz. 1875), und die Zeitschrift „Serapeum“ von R. Naumann (das. 1840–70, 31 Bde.).
Handschriftendeutung (griechisch Graphologie, Chirogrammatomantie), die angebliche Kunst, den Charakter, die Fähigkeiten, Leidenschaften und Eigenheiten eines Menschen aus den Zügen seiner Handschrift zu erkennen. Nachdem schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. der Professor Baldos in Bologna, später Lavater in seinen „Physiognomischen Fragmenten“ Andeutungen dieser Kunst gegeben, interessierte sich namentlich Goethe für dieselbe, indem er es für unbezweifelbar hielt, daß Sinnes- und Denkweise des Menschen, überhaupt sein geistiges Wesen, in der Handschrift insoweit einen Ausdruck finde, daß man darauf mehr oder weniger zutreffende Vermutungen basieren könne. In neuerer Zeit hat namentlich A. Henze in der Leipziger „Illustrierten Zeitung“ diese Kunst praktisch zu verwerten gewußt und in seiner „Chirogrammatomantie“ (Leipz. 1862) dargestellt. Zu gleicher Zeit versuchte in Frankreich der Jesuitenpater Martin ein System der H. zu geben, jedoch, wie Henze, ohne feste Regeln. Dagegen glaubt der Abbé Michon (gest. 1881) in seinem „Système de graphologie“ (7. Aufl. 1885) und in der „Méthode pratique de graphologie“ (3. Aufl. 1886) die H. auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt zu haben. Nach seiner Meinung entsprechen gewisse unberechnete und unbeobachtete Nebenstriche etc., die graphologisch bedeutsamen Zeichen, stets denselben Eigenschaften. Diese Merkmale kehren in der Schrift jemandes regelmäßig wieder und sollen dann die Charaktereigentümlichkeiten desselben darstellen. Daß diese Zeichen nicht zufällig, sondern in unserm innern Wesen begründet seien, versucht auf physiologischer Grundlage Eugen Schwiedland („Die Graphologie. Geschichte, Theorie und Begründung der H., als Beiträge zur Physiologie der Bewegungen“, 2. Aufl., Berl. 1883) darzuthun. Schwiedland behauptet, daß bei allen spontanen natürlichen Bewegungsimpulsen des Menschen und allen Ergebnissen solcher (also Gang, Stimme, Ausdruck der Augen und Handschrift) ein psychisches, d. h. individuell-charakteristisches, Moment vorhanden sei; nur falle die Beobachtung der Handschrift, weil am ehesten meßbar, am leichtesten. Wenn sich gewisse Zeichen allmählich ändern, habe sich auch der Charakter des Schreibers geändert. Ob der Schreiber eine Frau oder ein Mann sei, lasse sich nicht immer sagen, doch stets, ob er einen männlichen oder weiblichen Charakter besitze. Von praktischer Bedeutung ist die Handschriftenbeurteilung vor Gericht bei anonymen Schmähschriften, Testaments- und Wechselfälschungen etc. Vgl. E. de Vars, Histoire de la graphologie (3. Aufl., Par. 1880); A. Varinard, J. H. Michon, sa vie et ses oeuvres (das. 1883); J. Crépieux, Traité complet et pratique de graphologie (das. 1884); Sittl, Die Wunder der Handschrift (Zürich 1880); Scholz, Die Handschrift und ihre charakteristischen Merkmale (Brem. 1885).
Handschriftlicher Gläubiger, s. v. w. chirographarischer Gläubiger, s. Chirograph.
Handschuchsheim (Handschuhsheim), Dorf im bad. Kreis und Amt Heidelberg, an der Bergstraße, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, 2 Schlösser und (1885) 2725 meist evang. Einwohner, welche Obst- (besonders Kirschen-), Wein- und Tabaksbau, Bierbrauerei und Maschinenfabrikation betreiben. H. ward 1689 von den Franzosen niedergebrannt. Hier am 24. Sept. 1795 Sieg der Österreicher unter Quosdanowich über die Franzosen unter Dufour.
Handschuhe, Bekleidungsstücke für die Hand und bisweilen auch einen Teil des Arms, werden aus Pelzwerk, Leder, Seide, Leinen, Baumwolle, Wolle etc. gefertigt. Die waschledernen H. sind von sämischgarem Leder und lassen sich wiederholt waschen, ohne ihre Farbe zu verlieren. Man verarbeitet zu waschledernen Handschuhen
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0116.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2021)