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Seite:Meyers b8 s0304.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

Störung an. In reiferm und höherm Alter findet es sich seltener als in der Jugend. Die gewaltige Macht, welche das H. auf den davon Befallenen ausübt, erhellt unter anderm aus der Thatsache, daß es in Frankreich bis über die Mitte des 18. Jahrh. hinaus bei Todesstrafe verboten war, den Kuhreigen zu singen oder zu pfeifen, weil die schweizerischen Soldaten durch das Hören desselben haufenweise in H. verfielen, desertierten oder starben. Gründlich beseitigt wird das H. in seinen schweren Formen in der Regel nur durch die Rückkehr in die Heimat. Zur Verhütung des Heimwehs in Armeen, Lagern, Garnisonen, Spitälern und auf Schiffen dient alles, was Heiterkeit, Mut und Hoffnung zu erwecken und zu erhalten im stande ist: humane Behandlung, Vermeidung von Müßiggang, von übermäßiger Anstrengung und Neckereien, gymnastische Übungen, nützlicher Unterricht, Spiele, Musik etc.

Heimzahlung, die Rückzahlung einer Schuldsumme.

Hein (auch Hain), vielleicht niederdeutsche Abkürzung von Heinrich (Heinz), bezeichnet in der Formel „Freund H.“ den Tod als wohlwollendes, freundliches Wesen (als einen „guten Gesellen“). Der Ausdruck wurde erst 1774 von M. Claudius, wahrscheinlich in Anlehnung an eine im Niederdeutschen gebräuchliche volkstümliche Bezeichnung (Heinenkleed ist daselbst s. v. w. Totenkleid), eingeführt und dann schnell populär. Irrtümlich bezieht man den Ausdruck auf den Hamburger Arzt Anton Hein, über welchen Hamburger Zeitungen von 1760–70 scherzen.

Hein, Franz, Freiherr von, österreich. Staatsmann, geb. 28. Juni 1808 zu Olmütz, studierte die Rechte und wurde Advokat in Johannesberg, 1847 in Troppau, welche Stadt ihn schon 1848 als ihren Bürgermeister zum konstituierenden österreichischen Reichstag in Wien und Kremsier entsendete; hier gehörte er zur gemäßigten deutschen Partei und war Berichterstatter des Verfassungsausschusses. 1860 wurde er für Schlesien in den verstärkten Reichsrat berufen und 1861 vom schlesischen Landtag in das Abgeordnetenhaus gewählt und erster Präsident desselben. Er gehörte zur zentralistischen Partei. 1862–1865 war er Justizminister im Kabinett Schmerling, wurde nach seinem Rücktritt zum Präsidenten des Wiener Oberlandesgerichts und 1869 zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses ernannt.

Heindorf, Ludwig Friedrich, Philolog, geb. 21. Sept. 1774 zu Berlin, gebildet auf dem Köllnischen Gymnasium daselbst, an welches er, nachdem er in Halle unter Wolf studiert hatte, 1796 als Subrektor zurückkehrte, wurde 1810 Professor an der Universität daselbst, ging aber 1811 als solcher nach Breslau und im Frühjahr 1816 nach Halle, wo er bereits 23. Juni d. J. starb. Er gab heraus: „Platonis dialogi selecti“ (Berl. 1802–10, 4 Bde.; Bd. 1 u. 2 in 2. Aufl. von Ph. Buttmann, 1827–29); „Horaz’ Satiren“ (Bresl. 1815; 3. Aufl. von Döderlein, Leipz. 1859) und Ciceros „De natura deorum“ (das. 1815).

Heine, 1) Salomon, verdienter Bürger Hamburgs, geb. 1767 zu Hannover von unbemittelten jüdischen Eltern, war seit 1784 in Wechselgeschäften zu Hamburg beschäftigt, wurde dann Wechselmakler und richtete 1797 mit Heckscher ein Bankiergeschäft ein, mit dem er den Grund zu seinem spätern Reichtum legte. Durch seine Opferwilligkeit und Entschlossenheit wendete er die schlimmsten Folgen des furchtbaren Brandes vom 2. Mai 1842 von der Hamburger Geschäftswelt ab; zugleich stellte er dem Staat unaufgefordert 1/2 Million zur Verfügung. Überhaupt war Heines Wohlthätigkeit eine wahrhaft großartige. Das Krankenhaus für jüdische Arme ist ganz aus seinen Mitteln gebaut worden; ebenso verdanken die Vorschußanstalt für jüdische Handwerker sowie andre milde Anstalten ihm ihre Entstehung. Er starb 26. Dez. 1844. Vgl. Mendelssohn, Sal. H. (3. Aufl., Hamb. 1845).

2) Heinrich, berühmter Dichter, geb. 13. Dez. 1799 (nach andern, aber unrichtig, 1. Jan. 1800) zu Düsseldorf von jüdischen Eltern, war der Neffe des vorigen, studierte in Bonn, Berlin und Göttingen die Rechte, lebte dann abwechselnd in Hamburg, Berlin und München, machte Reisen nach Oberitalien und England und begab sich 1831 nach Paris, wo er sich ausschließlich litterarischer Beschäftigung widmete und vom Jahr 1837 bis zum Sturz des Ministeriums Guizot im Februar 1848 aus der Kasse des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten ein Jahrgeld von 4800 Frank bezog und zwar als einen Anteil an „dem großen Almosen, das das französische Volk an so viele Tausende von Fremden spendete, die sich durch ihren Eifer für die Sache der Revolution in der Heimat kompromittiert hatten und an dem gastlichen Herd Frankreichs eine Freistätte suchten“. Nachdem er schon 1825 zum Christentum übergetreten, heiratete er später eine Pariserin, Mathilde Mirat (gest. 19. Febr. 1883 in Passy bei Paris). Deutschland besuchte er nur noch zweimal flüchtig im Herbst 1843 und im Sommer 1844. Nachdem er für ein Rückenmarksleiden, das ihn 1845 befiel, in einem Pyrenäenbad vergeblich Heilung gesucht, fesselte ihn die Krankheit seit dem Frühling 1848 gänzlich an seine martervolle „Matratzengruft“. Trotz seines jammervollen körperlichen Zustandes wußte er sich die Beweglichkeit und Frische seines Geistes zu bewahren. Freunde, die ihn in der letzten Zeit besuchten, schilderten ihn als einen Bekehrten, bei dem aber noch zuweilen die Weltlust hervorbreche. „Sonst nannte man mich einen Heiden“, sagte er lächelnd einem dieser Besucher, „jetzt bin ich nichts weiter als ein armer, kranker Jude.“ Er erlag seinen körperlichen Leiden 17. Febr. 1856. In die litterarische Welt war er durch seine „Gedichte“ (Berl. 1822), denen im folgenden Jahr die Tragödien: „Almansor“ und „Ratcliff“ mit dem „Lyrischen Intermezzo“ folgten, eingetreten. Doch hatten diese Erzeugnisse keine besondere Aufmerksamkeit erregt und waren bald vergessen worden. Um so größeres Glück machten die beiden ersten Bände der „Reisebilder“ (Hamb. 1826–1827), die später durch zwei neue Bände vermehrt wurden (das. 1830–31, zusammen 4 Bde.; 5. Aufl. 1856). Selten hat in der Litteratur ein Reisetagebuch voll flüchtiger Einfälle und Empfindungen so großes Aufsehen gemacht wie dieses. Die das Publikum, namentlich das jugendliche, fesselnden Momente desselben waren: „die in reizenden Naturbildern schwelgende Wanderlust, die lyrischen Klänge aus Herzenstiefen, kokett melancholisch oder skeptisch frivol“, vor allem aber der treffende, schonungslose Witz, der den damals grassierenden Wortwitz der Theaterjournalisten an geistiger Energie weit übertraf. Leider trat aber schon in den letzten Bänden der „Reisebilder“ ein „cynischer Trotz“ und eine „renommierende Liederlichkeit“ hervor, welche später ein charakteristisches Merkmal der Heineschen Muse wurde. Die eingestreuten, zum Teil sehr originellen Lieder samt einer Reihe neu hinzugefügter gab er gesammelt in seinem „Buch der Lieder“ (Hamb. 1827, 32. Aufl. 1872) heraus, welches, immer neu aufgelegt, als die glanzvolle Offenbarung eines großen dichterischen Talents bis auf die Gegenwart bei der Nation

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0304.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2024)
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