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Seite:Meyers b8 s0364.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

oder er wurde so geschlossen (Stechhelm), daß nur ein Spalt zum Durchsehen übrigblieb (Fig. 9). Für das 14. Jahrh. ist die große Kesselhaube charakteristisch, aus der sich unter Zusatz eines beweglichen Kinn- und Wangenschutzes im 15. Jahrh. die Salade (Schale, Schaller), eine eiserne runde Haube, entwickelte, die nach hinten zur Sicherung des Genicks spitz zulief (Fig. 10). Gegen Ende des 15. Jahrh. schloß sich die Eisenkappe mit stets beweglichem Visier immer enger um den Kopf zusammen, bis die von den Burgundern erfundene und daher Bourguignotte genannte

Fig. 10. Fig. 8.
Salade. Topfhelm.
Fig. 12. Fig. 7.
Morion. Gladiatoren-Visierhelm.
Fig. 11. Fig. 9.
Visierhelm. Stechhelm.

Form des Helms daraus entstand (s. Tafel „Rüstungen“). Im Turnier blieb der Spangen- oder Rosthelm in Gebrauch. Die Bourguignotte erhielt sich bis zur Mitte des 16. Jahrh. Sie bestand in ihrer höchsten Ausbildung aus vier beweglichen Teilen, die sich um ein knopfförmiges Scharnier, die Helmrose, drehten, dem Scheitelstück, dem Stirnstück, dem Visier und dem Kinnreff. Aus der Bourguignotte entwickelte sich dann der vollständige Visierhelm mit aus Schienen bestehendem Hals- und Genickschutz und einem hohen Kamm auf dem Scheitelstück zur Abwehr gegen die Schwerthiebe (Fig. 11). Zu gleicher Zeit vereinfachte sich der H. unter Fortlassung des Visiers zur Sturmhaube mit festem Stirn- und Genickschirm und beweglichen Backenstücken, welche namentlich in den großen Feldschlachten des 16. Jahrh. beim Fußvolk zur allgemeinen Anwendung kam, während der H. den Reitern blieb. Eine Abart der Sturmhaube ist der von Spanien seit der Mitte des 16. Jahrh. ausgegangene Morion (Maurenkappe), welcher die Form eines halben Eies hatte und mit einem nach vorn und hinten schnabelförmig emporgebogenen Rand und beweglichen Backenstücken versehen war. Später fielen die letztern fort, und es trat auf dem Scheitel ein hoher Kamm hinzu (Fig. 12). Im 17. Jahrh. verflachte sich der Morion wieder zur Haube mit Stirnstulp, Naseneisen und Genickschutz, der bisweilen auf den Rücken herabreichte.

In der Heraldik spielte zuerst (seit Ende des 12. Jahrh.) der Topfhelm eine Rolle, an welchem das plastisch gearbeitete Wappenbild oder Helmkleinod (Zimier, cimier) an der Seite festgebunden wurde. Seit etwa 1360 fand der Topf- oder Stechhelm nur noch bei Turnieren (hier auch von Leder) Verwendung. Neben demselben kam unter der Regierung des Kaisers Friedrich III. (1440–93) der Spangenhelm (für das Schwert- und Kolbenturnier) auf, seitdem „Turnierhelm“ im engern Sinn genannt, den nur turnierfähige Geschlechter zu führen berechtigt waren, und der von vornherein nur diesen Geschlechtern diplommäßig zuerkannt wurde. Inzwischen blieb bis Mitte des 16. Jahrh. der Stechhelm auch für Personen höchsten Standes gangbar; von da ab war in Deutschland der Stechhelm der ausschließlich bürgerliche, der Spangen- oder Turnierhelm der ausschließlich adlige Wappenhelm. Nur die Doktoren waren ausnahmsweise berechtigt, den Spangenhelm ohne besondere kaiserliche Bewilligung in ihren Wappen zu führen. Die französische Heraldik erfand eine Skala von Ranghelmen, von denen der königliche ganz offenes Visier hatte, während die Herzöge, Grafen, Barone etc. eine absteigende Zahl von Spangen führen sollten. Von der deutschen Heraldik wurde der Ranghelm nicht adoptiert. Nur der offene königliche H. wurde vom König Friedrich I. von Preußen eingebürgert. Die moderne Heraldik hat auch den Unterschied zwischen adligem und bürgerlichem H. beseitigt. Die Stellung des Helms richtet sich nach der des Schildes. Ein nach rechts geneigter Schild kann keinen nach links gewendeten H. tragen. Die Fütterung der Helme ist in der Heraldik rot. Das Halskleinod ist eine unwesentliche, wenngleich in den spätern Diplomen regelmäßig erwähnte Zugabe des Helms, ein an einer Kette um das Halsstück gelegtes Medaillon, wohl ein Zeichen der Turniergesellschaften oder eins jener Turnierkleinode, die der Preis des Siegers im Einzelkampf waren. Hinten über dem H., lediglich zur Verkleidung der kahlen Fläche, hing ein Tuch, die Helmdecke, herab. In dieselbe wurden mit Seide mancherlei Bilder gestickt, unten hingen goldene Fransen herab. Bald wurde die Helmdecke ein immer reicher sich entfaltendes Ornament, durch das ganze 14. Jahrh. überwiegend einfarbig, später zwei- und mehrfarbig und in der Regel die Wappenfarben zeigend. Gegen Ende des 16. Jahrh. kam die Mode auf, die Helmdecke als Mantel zu zeichnen, woraus sich der sogen. Pavillon oder Wappenmantel entwickelte. Bei den Turnierhelmen wurden die Helmkleinode, um welche gekämpft wurde, oben befestigt. Dieselben bestanden aus Metall, Leder, Holz, Tuch, Filz, Flechtwerk, ausgestopften Tierbälgen, Hörnern, Flügeln, Federn, Hüten, Mützen u. dgl., welche im Zusammenhang mit dem Wappen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0364.jpg&oldid=- (Version vom 20.10.2024)
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