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Seite:Meyers b9 s0423.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9

Deutschland ward, sobald sich festere staatliche Zustände bildeten, die Verwaltung der Domänen oder Kammergüter, welche die Hauptquelle des fürstlichen Einkommens bildeten, den Kammern überwiesen, welche daneben, besonders in Preußen, als Kriegs- und Domänenkammern auch Zweigen der Volkswirtschaftspflege und der Polizei vorstanden. So bildete sich die Lehre von den Kammersachen als Zusammenstellung der Grundsätze über die Thätigkeit dieser Behörden. Dieselbe wurde auf besonders errichteten kameralistischen Lehrstühlen an den Universitäten, zuerst in Preußen und zwar in Halle und Frankfurt a. O. seit 1727, gelehrt und von Seckendorf, Schröder, Horneck, Justi, Sonnenfels u. a. wissenschaftlich dargestellt. Sie zerfiel in zwei Teile: 1) die Ökonomie, welche nicht nur die allgemeinen Haushaltungsregeln, sondern auch die Lehre von der Stadtwirtschaft (Handel, Gewerbe) und der Landwirtschaft umfaßte; 2) die Lehre von der Verwaltung des Staats, deren einer Teil, die Polizei, von den Maßregeln zur Pflege und Mehrung des allgemeinen Volkswohlstandes handelt, während das Gebiet der andern, der eigentlichen K., mit dem unsrer heutigen Finanzwissenschaft identisch ist. Einseitigere Kameralisten betrachteten die Mehrung der Einkünfte des Fürsten als Ziel der K. und der Kameralbeamten. Der Ausdruck K. ist heute mehr in den Hintergrund getreten und durch die Bezeichnungen Volkswirtschaftslehre, Staatswissenschaften etc. ersetzt worden. Gebräuchlich ist noch vielfach die Zusammensetzung „Staats- und Kameralwissenschaften“. „Stud. jur. et cam.“ nennt sich derjenige Studierende, welcher sich nicht allein auf den Justiz-, sondern auch auf den Verwaltungsdienst vorbereitet. Vgl. Rau, Über die K. (Heidelb. 1825); Baumstark, Kameralistische Encyklopädie (das. 1835); R. Mohl, Encyklopädie der Staatswissenschaften (2. Aufl., Tübing. 1872); Glaser, Encyklopädie der Gesellschafts- und Staatswissenschaften (Berl. 1864); Roscher, Geschichte der Nationalökonomik (Münch. 1874).

Kamerun, s. Camerun.

Kami, in der Religion der Japaner Name der zahlreichen niedern Gottheiten (vergötterte Naturkräfte, Seelen Verstorbener etc.); s. Japan, S. 160.

Kamieniec-Podolsk, s. Kamenez-Podolsk.

Kamiesberge, s. Kapland, S. 488.

Kamille (Chamille, Matricaria L.), Gattung aus der Familie der Kompositen, einjährige Kräuter mit doldentraubig verästeltem Stengel, zerstreut stehenden, zwei- bis dreifach fiederteiligen Blättern, kegelförmigem, nacktem, innen hohlem Blütenboden und kantigen, ungeflügelten Achenen. Echte K. (Feldkamille, Helmerchen, M. chamomilla L., Chrysanthemum chamomilla Bernh.), 15–20 cm hoch, mit doppelt fiederteiligen Blättern, weißen Strahlen- und gelben Scheibenblüten, findet sich durch ganz Europa und in Vorderasien, auch in Australien eingebürgert; sie schmeckt bitterlich, riecht aromatisch und enthält in den frischen Blüten (auf trockne berechnet) 0,25 Proz. dunkelblaues ätherisches Öl (Kamillenöl, s. d.). Die K. bildet eins der beliebtesten Hausmittel und besitzt den großen Vorzug, in den meisten Fällen unschädlich zu sein. Man benutzt Kamillenthee als schweißtreibendes Mittel und Unterstützungsmittel beim Erbrechen, wobei indes das heiße Wasser wohl allein wirksam ist, bei kolikartigen und kardialgischen Beschwerden, hysterischen Neuralgien und Krämpfen, als Verbandmittel bei schlaffen Geschwüren, zu Umschlägen bei Kontusionen, zu Klystieren, Bädern, Kräuterkissen etc. Die K. gehört zu den ältesten Arzneimitteln, besonders der Volksmedizin. Den Namen Chamaemelum (woraus Chamomilla) leitet Plinius vom äpfelartigen Geruch der Blüten ab (melon, der Apfel, und chamai, niedrig). Über Hundskamille und römische K. s. Anthemis.

Kamillenöl, ätherisches Öl, welches aus den Blüten der Kamille (Matricaria chamomilla) durch Destillation mit Wasser gewonnen wird (Ausbeute 0,15 Proz.), ist dunkelblau, ziemlich dickflüssig, von intensivem Geruch, schmeckt bitter aromatisch, spez. Gew. 0,92, löst sich schwer in Wasser, in 8–10 Teilen Spiritus, leicht in Äther, wird durch Luft und Licht grünlich und braun. Es ist ein Gemenge verschiedener Öle und wird medizinisch wie Kamillenblüten, auch zu Likören benutzt. Mit dem ätherischen K. ist nicht ein pharmazeutisches Präparat zu verwechseln, welches durch Digerieren von Kamillenblüten mit Spiritus und Olivenöl bis zur Verflüchtigung des Spiritus erhalten und als äußerliches Arzneimittel benutzt wird. Das ätherische Öl der römischen Kamille (Anthemis nobilis) ist ebenfalls blau oder grünlich.

Kamīn (v. lat. camīnus, „Ofen“, franz. Cheminée, engl. Fire-place, Chimney), Vorrichtung zur Zimmerheizung, besteht aus einem von Mauerwerk oder Eisenplatten umschlossenen, vollständig in der Wand liegenden oder teilweise aus derselben hervorspringenden Raum, in welchem man das Brennmaterial auf einem Rost verbrennt, während die Verbrennungsgase direkt in den Schornstein entweichen. In dem K. wirkt das Feuer nur durch Ausstrahlung, die Kaminheizung ist daher äußerst unvorteilhaft. Sie ist aber in milden Klimaten (England, Frankreich) sehr beliebt, weil der Anblick des Feuers den Eindruck der Wohnlichkeit macht, und weil der hervorstehende Teil des Kamins zu einem vorzüglichen Zimmerschmuck hergerichtet werden kann. Der Kaminsims dient überdies zur Aufstellung von Uhren, Spiegeln, Bronzen etc. Man unterscheidet lombardische Kamine mit weit hervorragendem, pyramidenförmigem Mantel, der auf Konsolen oder sonstigen Vorkragungen steht; französische Kamine, die ganz außerhalb der Mauer stehen; deutsche, welche noch weiter hervorragen und einen hohen Mantel haben, und holländische, ganz in der Mauer liegende. Um die Wirkung des Kamins zu vermehren, benutzt man Kaminöfen aus Eisenblech, welche in die Kaminöffnung hineingesetzt werden oder an der Kaminwand stehen; mittels Luftzüge wird die untere kalte Luft im Zimmer eingesogen, am Feuer erwärmt und strömt oberhalb in diesem Zustand wieder aus (s. Heizung, S. 338 f.). K. heißt auch der Teil des Schornsteins, der außerhalb eines heizbaren Zimmers, gleich vor dem Ofen angebracht ist und zum Heizen des letztern durch eine in der Mauer vorhandene Öffnung dient.

Kamin (Kammin), Stadt im preuß. Regierungsbezirk Marienwerder, Kreis Flatow, an der Kamionka, hat ein ehemaliges Domstift, eine Niederlassung von (Franziskaner-) Krankenpflegerinnen und (1885) 1703 meist kath. Einwohner.

Kaminständer (Kaminbock), s. Feuerbock.

Kamionka (K. strumilowa), Stadt in Galizien, am Bug, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, mit Dampfmühle und Brettsäge, Bierbrauerei, Töpferei, Viehhandel und (1880) 6107 Einw.

Kamiros, Stadt, s. Kameiros.

Kamisade (franz.), nächtlicher Überfall in Unterhemden, um unerkannt zu bleiben (vgl. Kamisarden).

Kamisarden (franz. Camisards), Name der Hugenotten in den Cevennen, welche Abkömmlinge der Waldenser waren und sich im 16. Jahrh. der Reformation angeschlossen hatten; der Name Camisards

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b9_s0423.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2022)
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